Bernd Ehinger: „Fachkräfte für das Handwerk“

Interview mit Bernd Ehinger

Bernd Ehinger

Bernd Ehinger

Immer weniger junge Menschen und ein steigender Bedarf an Fachkräften: Ist die Gesellschaft in Sachen demografischer Wandel zu spät dran?
EHINGER: Wir haben uns alle in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig Gedanken über das Thema gemacht. Der Demografiekongress 2011 hat bereits eindrucksvoll gezeigt, dass es eine Menge Fragen gibt, auf die wir bald sinnvolle Lösungen finden müssen. So wünschen sich immer mehr Menschen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Dies ist in erster Linie überhaupt keine ideologische Frage, sondern eine, die entscheidend für die gesellschaftliche Prosperität der kommenden Jahrzehnte ist.

Es gibt immer weniger Kinder und wir brauchen dringend Fachkräfte – bis 2020 fällt mindestens jeder fünfte Auszubildende weg.
EHINGER: Die Auflösung dieser Frage ist kein Paradoxon, sondern aus Sicht des Handwerks eine Herausforderung und am Ende Sache der Kreativität in unserer Gesellschaft. Unsere Familienunternehmen im Handwerk gehen da mit gutem Beispiel voran. Sie zeigen schon heute, dass Kindererziehung, beruflicher Erfolg und Integration von Fachkräften jedweden Alters und Geschlechts keine Zukunftsmusik ist und sich nicht ausschließen.

Eine besondere Rolle für Unternehmer wird künftig auch der steigende Pflegebedarf in den Familien spielen.
EHINGER: Das ist richtig – immer mehr Menschen hierzulande werden sich mit der Frage konfrontiert sehen, wie sie die Pflege eines Familienmitglieds organisieren wollen und können. Auch diese Frage können wir nur gemeinschaftlich angehen und nur dann lösen, wenn wir offen darüber sprechen. Der Demografie-Kongress 2012 steht deshalb nicht ohne Grund unter dem Motto „Demografie direkt – gute Lösungen für die Region“. Starke Partner aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik werden die Gespräche aus dem vergangenen Jahr fortsetzen und hoffentlich einige gute, neue Ideen entwickeln.

Noch einmal zurück zum Fachkräftemangel – warum sind Lösungen hier so wichtig?
EHINGER: Eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre ist, junge Leute für die duale Ausbildung zu begeistern – und dies gilt nicht nur fürs Handwerk. Wir brauchen zum Beispiel Fachkräfte, die die Ideen für die Energiewende praktisch umsetzen. E- oder Hybridmotoren müssen nämlich nicht nur entwickelt werden, sie müssen auch gewartet und eingebaut werden. Auch die Weiterentwicklung der „Smart Home“-Technik muss in die Hand von kompetenten Praktikern – dies alles bietet das regionale Handwerk. Wir sind Partner der Gesellschaft, zum Beispiel auch im Hinblick auf das barrierefreie Wohnen. Die Gewinnung von Nachwuchskräften und der Aus- und Weiterbildung junger Menschen ist deshalb eine unserer wichtigsten Aufgaben.

Das Handwerk bietet hervorragende Karrierechancen für Abgänger aller Schulformen.
EHINGER: Das ist richtig. Bei über 120 Berufen ist für jeden etwas dabei. Ob Abiturient oder Hauptschüler – wir freuen uns über jeden, der bereits ist, anzupacken. Das Handwerk hat dabei übrigens schon immer wert auf das gelegt, was jemand bereit ist zu leisten. Ein Wert, der vor allem in den kommenden Jahren enorm an Bedeutung gewinnen wird – denn nur gemeinschaftlich werden wir Lösungen für eine lebens- und liebenswerte Zukunft entwickeln können.

Demografie-Kongress 2012 in der Metropolregion ist für mich…
EHINGER: Eine rundum gute Sache. Die Partner aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Metropolregion profitieren von ihrem gemeinsamen Know-how und können auf eine jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit zurückblicken. Es ist wichtig, dass wir für die Fragen, die sich Verschiebung der Alterspyramide ergeben, vor allem auf regionaler Ebene Lösungen finden. Ideen, für die wir möglichst viele Partner begeistern können.

Bernd Ehinger ist Präsident der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main.

Bernd Sieber und Kristin Wilkens von der HWK Frankfurt-Rhein-Main berichten beim Kongress im Kongress-Forum 3.