Volker Fasbender: „Jobchancen für Schulabbrecher“

Volker Fasbender

Der neue Tarifvertrag, den HESSENMETALL mit der IG Metall zur „Integration Jugendlicher in eine Berufsausbildung“ abgeschlossen hat, sorgt für Aufsehen. Kann man sagen, dass dieser Vertrag bundesweit Pilotcharakter hat?
FASBENDER: Der „Tarifvertrag zur Integration Jugendlicher in Berufsausbildung“ ist nicht nur in Hessen, sondern auch für die Metall- und Elektroindustrie im Saarland, in der Pfalz, in Rheinland-Rheinhessen und in Thüringen abgeschlossen worden. Dass wir erstmals eine tarifliche Plattform für die Förderung Jugendlicher anbieten, ist in der Tat sehr bemerkenswert. Schließlich wissen die Tarifparteien um den Fachkräftemangel und wollen den Jugendlichen gleichzeitig die Chance zur Erlangung der Ausbildungsreife geben. Aber auch in den übrigen Bundesländern sind – wenn auch in unterschiedlicher Struktur – Tarifmodelle zur Förderung Jugendlicher entstanden.

Sie zielen mit diesem Vertrag auf Jugendliche ohne Schulabschluss. Welche Erwartungen, welche Hoffnungen verbinden Sie damit? Wie viele von den jährlich über 2.000 Schulabbrechern in Hessen, glauben Sie, werden auf diesem Weg in eines Ihrer knapp 530 Mitgliedsunternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie kommen?
FASBENDER: Das ist heute schwer zu sagen. Aber wir haben gute Erfahrungen aus der Arbeit unserer Bildungswerke als ermutigendes Zeichen genommen. Wenn wir jetzt bis etwa zum Jahresende junge Menschen in die Fördermaßnahme nehmen, bestehen gute Aussichten, dass sie zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres zum 1. September 2013 fit für eine Ausbildung in unserer Branche sind.

Wie unterstützen Sie die Unternehmen, die solche jungen Leute zu einer 6- bis 12-monatigen vergüteten Coaching-Phase aufnehmen?
FASBENDER: Wir erklären unseren Mitgliedsunternehmen mit einem Leitfaden und direkter Beratung durch unsere fünf regionalen Bezirksgruppen die Zielsetzung und die arbeitsrechtliche Handhabung des Tarifvertrages. Der Fachkräftemangel ist vor Ort angekommen, unsere Mitgliedsbetriebe bekommen hier eine neue Möglichkeit, junge Leute für einen Förderung und dann für eine Berufsausbildung zu gewinnen. Und wir können die Expertise unserer Bildungswerke anbieten, die seit Jahrzehnten in der Einstiegsqualifizierung und in den berufsvorbereitenden Maßnahmen tätig sind. Auch helfen wir bei Kontaktaufnahmen zu den Arbeitsagenturen und Jobcentern, um junge Menschen für die Fördermaßnahme zu gewinnen. Und über die Landesarbeitsgemeinschaft SchuleWirtschaft Hessen werden wir die Schulen ansprechen.

Worauf gründet sich die Zuversicht der beiden Tarifparteien, dass im Anschluss bei einem relevanten Prozent der Aspiranten die Ausbildungsreife steht?
FASBENDER: Wir sind tatsächlich zuversichtlich, dass eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer an der Fördermaßnahmen gegen Ende der Maßnahme positiv beurteilt werden und sich erfolgreich in eine zwei- oder drei- bzw. dreieinhalbjährige Berufsausbildung im Förderbetrieb begeben können. Es gibt einen Förderplan, der Betrieb muss geeignete personelle Unterstützung bereitstellen, und auch hier können unsere hessischen Bildungswerke unterstützend herangezogen werden. Vor allem aber spielen die Sozialkompetenz und die pädagogische Betreuung eine große Rolle. Denn der Jugendliche wird im Betrieb anerkannt, in das Arbeitsleben integriert, bekommt Hilfestellungen, z. B. Sprachunterricht, Verhaltenstraining, verstärkt seine Kenntnisse in Rechnen, Schreiben und fachtheoretischen Anforderungen und fachpraktischen Übungen. Er hat Erfolgserlebnisse und spürt die Anerkennung in der Gemeinschaft des Betriebes, die er in seinem bisherigen Leben so noch nicht erlebt oder erfahren hat.

Was bedeutet dieser Tarifvertrag für Ihre Mitgliedsunternehmen?
FASBENDER: Die „Brücke in die Ausbildung“, die der Tarifvertrag bietet, stellt eine echte Chance für den Jugendlichen dar, trotz bestehender Defizite so gefördert zu werden, dass er in die Berufsausbildung in unserer Branche starten kann. Wir erwarten von den jungen Menschen dazu auch ein Mindestmaß an Mitwirkung und positiver Einstellung, das wiederum von den betrieblichen Ausbildern noch unterstützt und angeleitet wird.

Wir sind sicher, dass die Mitgliedsunternehmen dieses Angebot einer Brücke von der Schule in die Ausbildung prüfen und konstruktiv aufnehmen werden. Es gibt viele junge Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen mangels Ausbildungsreife noch keinen Ausbildungsplatz erreichen konnten. Es muss also jede Chance für eine solide Berufsausbildung und ein geregeltes Arbeitsleben genutzt werden, vor allem von den jungen Menschen, die bisher diese Chance noch nicht hatten. Daran wollen wir als die größte Industriebranche nach Kräften mitwirken.

 

Volker Fasbender ist Hauptgeschäftsführer der hessischen Unternehmerverbände (VhU). Die VhU vertritt als Dachorganisation der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände 59 Vereinigungen und 150.000 Unternehmen mit 1,5 Millionen Beschäftigten im Land.