Kevin Moore: „Virtual Reality und die Arbeitswelt von morgen”

Kevin Moore ist Global HR Director bei der Crytek GmbH. Crytek ist ein unabhängiger Videospiel-Entwickler, Publisher und Technologie-Anbieter mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland) und ist mit sechs weiteren Studios auf der ganzen Welt vertreten. Gegründet 1999 hat Crytek eine Vielzahl preisgekrönter Spiele u.a. Ryse: Son of Rome, Warface, die Crysis-Reihe und das erste Far Cry Spiel hervorgebracht.

Lieber Herr Moore, werden Roboter einmal uns Menschen ersetzen?
MOORE: Von solchen Szenarien halte ich nicht viel. Schauen Sie sich unsere damaligen Vorstellungen in „Zurück in die Zukunft“ an – heute gibt es keine fliegenden Autos und keine Schuhe, die sich selbst zubinden. Und auch den Film „Der Weiße Hai Nr. 19“ gibt es nicht (lacht)! Ich denke, dass in bestimmten Geschäftszweigen einige Jobs „verschwinden“ werden. Vor allem im Bereich der Fertigung. Die Automatisierung lässt sich nicht aufhalten. Ziehen wir nicht mit, geht es am Ende um die Arbeitsplätze von uns allen, weil andere Länder einfach niedrigere Lohnkosten haben und dementsprechend günstiger produzieren. Es gibt aber auch Eigenschaften, die keine künstliche Intelligenz ersetzen kann. Einfühlungsvermögen zum Beispiel. Das Erkennen von Marktchancen oder die Fähigkeit der Einsicht. Und Kreativität.

Was sollten Firmen denn tun, um von Industrie 4.0 zu profitieren?
MOORE: Unternehmen sollten sich zuerst fragen, was sie mit der zunehmenden Digitalisierung erreichen wollen. Geht es darum, den Kunden besser zu verstehen? Wollen sie die Produktivität erhöhen? Diese grundsätzliche Frage muss erst einmal geklärt sein, bevor überhaupt irgendwelche Maßnahmen umgesetzt werden. Schließlich handelt es sich bei der Automatisierung auch um eine Investition, und die will sinnvoll getätigt sein.

Welchen Nutzen ziehen Sie als Personaler aus der Digitalisierung?
MOORE: Hier in Frankfurt arbeiten 40 verschiedene Nationalitäten bei Crytek. 40! Diese Zahl muss man sich einmal vorstellen. Und das bei nur rund 370 Mitarbeitern. Wir haben deshalb ein besonderes Onboarding entwickelt. Die Basis bildet ein Plan für die ersten sechs Wochen. Was muss unser New-Starter alles wissen, um schnellstmöglich produktiv arbeiten zu können? Dazu gehören ganz basale Dinge wie der vollständig eingerichtete Arbeitsplatz oder ein Plan des Hauses auf dem PC, wo alles zu finden ist – bis zur wichtigen Kaffeemaschine (lacht). Aber auch überbetriebliche Informationen wie z.B. ein ukrainisch sprechender Arzt. Außerdem erhält jeder Neuzugang von uns eine Unternehmenspräsentation, in der wir ihn nochmal damit vertraut machen, wer wir eigentlich sind und für welche Werte wir stehen. So stellen wir sicher, dass der New-Starter einen optimalen Einstieg in seine neue Rolle bei Crytek findet.

Sie stammen aus Kalifornien: Gehen die Menschen in den USA anders mit dem Digitalisierungshype um als die Deutschen?
MOORE: Ja, es ist kein Hype (lacht). Ganz grundsätzlich fällt mir auf, dass man in den USA offener im Umgang mit neuen Technologien ist. Viele deutsche Firmen fremdeln lange und erkennen erst sehr spät, welche Möglichkeiten sich durch die Digitalisierung bieten. Crytek gilt übrigens als einer der Vorreiter in der Spielebranche, wenn es um technologische Innovationen geht. Aber auch wenn in Deutschland generell noch Luft nach oben ist, denke ich, dass wir uns auf einem guten Weg befinden.

Sie haben eben die neuen Möglichkeiten für Unternehmen angesprochen. Gibt es für Sie ein wichtiges digitales Zukunftsthema?
MOORE: Ganz klar Virtual Reality. Und das sage ich nicht nur, weil ich aus der Spiele-Branche komme. Hier eröffnet sich ein riesiges Potenzial für viele Branchen. In der Architektur zum Beispiel können Sie Bürogebäude oder Hotels begehen, von denen noch nicht ein Stein gebaut wurde. Im Tourismus schauen Sie sich nicht mehr die Fotos anderer Urlauber im Internet an, sondern lernen den Ort virtuell bereits kennen und entscheiden dann. In der Modebranche sind exklusive Shows nicht mehr der Elite vorbehalten. Auf der Datenbrille gibt es alle Extras wie Informationen zu den verwendeten Materialien, Nahaufnahmen oder eine Beratung über die Chat-Funktion. So viel Wissen bietet keine Fashion Week. Ein immenses Potenzial sehe ich auch in der Ausbildung. Azubis müssen nicht mehr an den Flughafen, um zu lernen, wie man ein Flugzeug wartet. All die Lerneinheiten können ortsunabhängig erfolgen. Das spart unheimlich viele Ressourcen und Zeit! Und sollte sich ein Frankfurter Azubi dann doch entscheiden, lieber zur Marine zu gehen, kann er das Schiff vom Sessel aus kennenlernen, ohne einmal in echt an Bord gewesen zu sein. Wenn es dann ernst wird, hat er alles schon einmal erfahren, wahrscheinlich sogar verinnerlicht, weil sich Übungen über Virtual Reality beliebig oft wiederholen lassen.

Wie stellen Sie sich die Arbeitswelt in 20 Jahren vor?
MOORE: Nicht sehr viel anders. Was heute neu ist, wird morgen normal sein. So wie es früher neu war, mit einem Computer zu arbeiten. Aber die Themen unserer Arbeit haben sich ja nicht vollständig verändert nur weil wir technische Unterstützung haben. Es geht nur eben alles schneller und ist mehr auf Produktivität getrimmt.

Lieber Herr Moore, vielen Dank für das Gespräch!

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