Kongress-Nachbericht: Nachwuchs 2.0

Nachwuchs verzweifelt gesucht
D54A6334 (Small)Vor einigen Jahren noch unvorstellbar, heute für viele Unternehmen Realität: Immer weniger junge Menschen bewerben sich auf die angebotenen Ausbildungsplätze, immer mehr Lehrstellen bleiben unbesetzt. Ging es bisher vor allem darum, aus einer Vielzahl von Bewerberinnen und Bewerbern die passenden herauszufiltern, steht zunehmend das Finden und Binden qualifizierter Nachwuchskräfte im Vordergrund. Um im Wettbewerb um die klügsten Köpfe bestehen zu können, müssen Unternehmen frühzeitig die richtigen Aktivitäten auf den Weg bringen – und verstärkt für sich werben. Das von Armin Bayer, Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik bei der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, geleitete Forum Nachwuchs 2.0 stellte deshalb in diesem Jahr Instrumente für ein systematisches Ausbildungsmarketing vor.

Berufliche Zukunft? Beginnt im Klassenzimmer

Dass Nachwuchsgewinnung heute schon im Klassenzimmer beginnt, ist mittlerweile bei vielen Unternehmen angekommen. Aber wie genau knüpft man erfolgreiche Kontakte zu Schulen? Wie lassen sich Kooperationen für beide Seiten sinnvoll ausgestalten? Und welche Formate kommen bei Lehrern, Eltern und vor allem Schülerinnen und Schülern gut an? Diesen und weitere Fragen wurden in der von Dr. Brigitte Scheuerle, Leiterin des Geschäftsfelds Aus- und Weiterbildung der IHK Frankfurt am Main, moderierten Talkrunde „Schule machen“ nachgegangen.
Dabei war unbestritten: Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft kommt allen zu Gute – insbesondere den Schülerinnen und Schülern, weil sie potenzielle Arbeitgeber kennenlernen, und den Unternehmen, weil sie den Fachkräftenachwuchs frühzeitig für sich gewinnen können. Aber auch Lehrkräfte und Eltern profitieren, denn sie erhalten praktische Unterstützung wenn es darum geht, den Nachwuchs auf den Wechsel von der Schule in den Beruf vorzubereiten. Dass diese Unterstützung dringend nötig ist, bestätigte Alix Puhl, Mitglied im Vorstand des Stadtelternbeirats und vierfache Mutter: Mit der Vielzahl der Berufe heutzutage seien die meisten Eltern schlichtweg überfordert und bei der Berufswahl daher die schlechtesten Berater für ihre Kinder.

294A6066 (Small)Gut beraten sind die Schülerinnen und Schüler dagegen, auch darin waren sich alle einig, wenn sie schon während der Schulzeit Praktika absolvieren. So hat Alisa Kleindienst, Schülerin der neunten Klasse an der Meisterschule in Frankfurt-Sindlingen, durch ein erfolgreiches Praktikum einen Ausbildungsplatz als Medizinische Fachangestellte gefunden. Ihr Lehrer, Rüdiger Angelstein, der gleichzeitig stellvertretender Schulleiter an der Meisterschule ist, berichtete, dass andere Schülerinnen und Schüler nicht so viel Glück hatten – auch weil sie kein Praktikum absolviert haben.

Praktikum ist jedoch nicht gleich Praktikum: Schülerinnen und Schüler, die ein freiwilliges Praktikum absolvieren, seien vielfach motivierter – das bekräftigten sowohl Mirco Uglik, Gründer und Inhaber der Firma ELS-tec sowie der gleichnamigen Marke, als auch Markus Schmidt, stellvertretender Gebietsverkaufsleiter bei Brillux im Rhein-Main-Gebiet. Beide kritisierten auch, dass Gymnasien, im Gegensatz zu Hauptschulen wie der Meisterschule, den Wert von Schule-Praxis-Kontakten vielfach unterschätzen würden: Da die meisten ihrer Schülerinnen und Schüler ohnehin das Abitur und anschließend ein Studium anstreben, seien Praktikum und Ausbildung für sie weniger relevant – ein Trugschluss, so die einhellige Meinung.

Ein Blick in den Werkzeugkasten
Im zweiten Teil des Forums hieß es dann: Werkzeugkoffer auf! In fünfminütigen Kurzvorträgen oder „Elevator Pitches“ stellten fünf Referentinnen und Referenten fünf verschiedene Instrumente des Ausbildungsmarketing vor. Anschließend hatten die Besucherinnen und Besucher des Forums im Rahmen der „Werkstattgespräche“ Zeit, sich an den zugehörigen Themenstationen weitergehend zu informieren.

294A6062_ (Small)Und Informationen, Tipps und Tricks gab es in Hülle und Fülle: So erklärte die PR-Beraterin Andrea Oechsler nicht nur, dass sich Stellenanzeigen sowohl bei der Gestaltung als auch im Hinblick auf eine zielgruppengerechte Sprache in vielen Fällen verbessern lassen, sondern auch gleich wie: nämlich ganz nach dem Motto „weniger ist mehr“. Das Gegenteil gilt für Karrierewebseiten – hier suchen junge Menschen nach Informationen, aber auch nach authentischen Eindrücken vom Arbeitsalltag in Unternehmen. Sie erwarten, für das Unternehmen begeistert und zu einer Bewerbung motiviert zu werden. Wie dies auch auf dem Smartphone gelingt, beschrieb Florian Franke, Experte für Branding & Interactive Design.

Authentische Eindrücke spielen auch beim Empfehlungsmarketing eine Rolle: Denn wer kann einen besseren Einblick geben, als die Mitarbeitenden eines Unternehmens? Klar dabei ist: Nur wer zufrieden ist, empfiehlt seinen Arbeitgeber weiter – und erleichtert diesem so die Suche nach qualifizierten Nachwuchskräften. Weitere Vorteile, aber auch Stolperfallen des Empfehlungsmarketing stelle Felicia Ullrich, Geschäftsführende Gesellschafterin des U-Form-Verlags, vor. Ist erst mal eine vielversprechende Kandidatin oder ein vielversprechender Kandidat gefunden und der Ausbildungsvertrag unterschrieben, gilt es, den neuen Azubi bis zum ersten Arbeitstag bei der Stange zu halten – dazu dient das Onboarding, das Stefan Leypold von der Ausbilder-Akademie GmbH präsentierte. Und auch die Erweiterung des Ausbildungsportfolios hilft bei der Nachwuchsgewinnung: So können sich Unternehmen mit dem Erfolgsprodukt Duales Studium frühzeitig bedarfsgerecht ausgebildete Fachkräfte sichern, wie Michaela Sadewasser vom Kampagnenbüro Duales Studium Hessen erläuterte.

Gesamtpräsentation Forum „Nachwuchs 2.0“

Autorin: Andrea Oechsler