Kongress Dialog Beruf & Familie 07.12.2015 – Nachbericht

Beruf, Familie, Männer!

Männer im Fokus der partnerschaftlichen Arbeitsteilung – eine wichtige Aufgabe für heute und morgen!

Ein voll besuchter Lichthof in der IHK Frankfurt am Main

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein zentrales Thema, das insbesondere im Licht des demografischen Wandels zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ein Thema, mit dem sich nicht nur Mütter auseinandersetzen müssen. Im Gegenteil: Der Fachkräftemangel als Folge des demografischen Wandels fordert eine familien- und vaterbewusste Arbeitgeberpolitik. Nicht ohne Grund veranstalteten die hessenstiftung – familie hat zukunft und das Hessische Ministerium für Soziales und Integration diesmal in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main für rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 07.12.2015 den zehnten Kongress der Kongressreihe „Dialog Beruf & Familie“.

Gleich zu Beginn bestätigten Dr. Ralf Geruschkat, Geschäftsführer für Wirtschaftspolitik und Metropolenentwicklung bei der IHK Frankfurt am Main, sowie Cornelia Lange, Abteilungsleiterin im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, dass sich die Väterrolle und auch die Situation der partnerschaftlichen Aufgabenteilung zwar deutlich verbessert habe, viele Stellschrauben jedoch noch justiert werden müssten. An erster Stelle dabei stünde, das Bewusstsein für die Rolle der Ehemänner und Väter zu stärken. Dr. Ulrich Kuther, Geschäftsführer der hessenstiftung – familie hat zukunft forderte, dass Ehemänner ihren Anspruch auf Elternzeit geltend machen und Frauen sie in der Ernährerfunktion entlasten müssten.

Keynote Dr. Martin Bujard

Diese Statements wurden durch Zahlen und Fakten, die Dr. Martin Bujard, Forschungsdirektor im Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), während seiner Keynote aufzeigte, bekräftigt. Dr. Bujard berichtete von einem Wertewandel innerhalb der letzten zehn Jahre im Hinblick auf die Berufstätigkeit von Ehefrauen und Müttern. Aber auch das Interesse von Vätern an der Elternzeit sei in der gleichen Zeit beträchtlich gestiegen. Um dieses Phänomen weiterhin zu fördern, sei es unumgänglich für Arbeitgeber, eine väterfreundliche Unternehmenspolitik zu betreiben.

 

Familienkonforme Personalpolitik – viel passiert, aber es geht noch mehr!

Wie die Gestaltungsmöglichkeiten von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik nach Verabschiedung des ElterngeldPlus aussehen, wurde während des Bistrotalks unter der Moderation von Kirsten Frohnert, Leiterin des Netzwerkbüros Erfolgsfaktor Familie, diskutiert.

Barbara David, Leiterin des Diversity Managements der Commerzbank AG, berichtete in diesem Zusammenhang von der Väterstudie, welche die Commerzbank AG ins Leben gerufen hat. Auslöser dieser Initiative war das wachsende Interesse von Vätern, die zunehmend ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Familie anstrebten. Informationen zur aktuellen Studie finden Sie hier.

Dass große Unternehmen mit ausgereiften Personalpolitikmodellen dieser Herausforderung viel eher gewachsen sind, ist nicht abzustreiten. Aber wie gestaltet sich die Unternehmenskultur kleiner und mittelgroßer Unternehmen? Dr. Geruschkat verwies hierzu auf die Dienstleistungsbranche, die in Bezug auf eine familienfreundliche Personalpolitik viel besser ausgestattet sei. So seien auch bei der IHK Frankfurt am Main flexible Arbeitszeiten selbstverständlich. Problematischer sei das in Unternehmen, die aufgrund von Schichtarbeit nur wenig Spielraum für eine Flexibilisierung einräumen können.

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Bistro-Talk: Kirsten Frohnert, Christian Meyer, Dr. Ralf Geruschkat, Barbara David, Dr. Martin Bujard (v.l.n.r.)

Christian Meyer, Stellvertretender Leiter Diversity und Soziales bei der Fraport AG, verwies darauf, dass sich stets Lösungen für die Arbeitsentlastung zugunsten einer erfolgreichen Familienfürsorge entwickeln lassen. Hierfür nannte er Fallbeispiele wie den Familienservice, die Betreuungsangebote für Kinder oder flexible Arbeitszeitmodelle der Fraport AG.

Alle Referenten des Bistrotalks waren sich darin einig, dass es mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – insbesondere wenn es auch noch um Männer, Alleinerziehende oder Führungskräfte geht – noch viel Handlungs- und Aufklärungsbedarf seitens der Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gäbe. Entscheidend sei nur eines: Kommunikation und Sensibilisierung, um die Auseinandersetzung mit diesem Phänomen noch mehr ins Bewusstsein von Arbeitgebern und –nehmern zu rücken.

Forum 1: „ElterngeldPlus“

Forum 1: Kirsten Frohnert, David Polte, Hans-Georg Nelles, Tanja Keil (v.l.n.r.)

Zum Auftakt des Forums „ElterngeldPlus – ein Plus für Väter und Unternehmen“ referierte Tanja Keil vom Regierungspräsidium Gießen über die Gesetzgebung zur Einführung des ElterngeldPlus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit. Bereits mit der Erläuterung der einzelnen Bausteine, aus denen sich das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz zusammensetzt, stieß sie auf reges Interesse im Publikum. Fragen zu den gesetzlichen Einzelbausteinen wie „Basiselterngeld“, „ElterngeldPlus“ oder „Partnerbonusmonate“ zeigten auch, dass noch viel Aufklärungsarbeit hinsichtlich des neuen Gesetzes zur Elternzeit zu leisten ist. Zeitgleich warnte Tanja Keil davor, nicht wahllos das ElterngeldPlus zu beantragen, sondern sich ausgiebig mit der Gesetzgebung und den unterschiedlichen Beteiligungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Während viele Eltern nicht ausreichend über das Gesetz informiert sind, ließen sich allein in Hessen bereits 17.068 bewilligte Elterngeldanträge seit Verabschiedung des Gesetzes – also seit dem 01.07.2015 – verzeichnen. Und die Tendenz sei weiter steigend, da auch immer mehr Väter von einer Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie profitieren möchten, so die Elterngeld-Expertin.

Hans-Georg Nelles, freiberuflicher Organisationsberater mit dem Schwerpunkt Väter & Karriere bekräftigte während seines Vortrags den Trend zu mehr Work-Life-Balance und auch die stärkere Partizipation von Vätern am Familiengeschehen. Hierbei sprach er von einer „Retraditionalisierung“ und unterstrich seine These mit folgenden Zahlen: 93% der Väter empfinden ihre Rolle in Familie und Beruf als gleich wichtig, rund 86% der Väter betrachten die Elternzeit als förderlich für die Partnerschaft und 53% der Ehemänner beabsichtigen durch ihre Elternzeit den beruflichen Wiedereinstieg oder einen Karrieresprung ihrer Partnerin zu fördern. Zum Abschluss legte David Polte, Assistent der Geschäftsführung der Väter gGmbH, seine Erfahrungen mit dem Gesetz zur Förderung einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung dar: Das Gesetz selbst sei sehr modern und zeitgemäß, der Umgang von Unternehmen mit diesem Gesetz jedoch zu passiv. Damit auch Kleinstunternehmen oder Firmen, die Schichtarbeit anbieten – also all die Unternehmen, die wegen der neu geregelten Elternzeit auf Mitarbeiter verzichten müssten – diese Herausforderung meistern könnten, riet der Experte und Berater für das ElterngeldPlus, dass Unternehmen – ähnlich wie im Dienstleistungssektor – mit Wunschschichtlisten arbeiten sollten. Auch proaktive Planungsmaßnahmen oder Kooperationen mit Kindertagesstätten seien eine mögliche Erfolgsgeschichte für Väter und Unternehmen. Anlehnend an das Prinzip eines Notdienstnetzwerks mit flexibel einsetzbaren Mitarbeitern als „Springern“, erarbeitete das Forum 1 gemeinsam mit einem äußerst aktiven Publikum die Idee, dass viele Firmen der gleichen Branche ein solches Netzwerk zur gegenseitigen Entlastung gründen könnten.

Forum 2: „Männer auf neuen Karrierewegen“

Wie können Unternehmen auf den Wunsch der (männlichen) Mitarbeiter nach mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf reagieren? Dies war die zentrale Frage, der das Forum „Männer auf neuen Karrierewegen“ nachging.

Bereits zahlreiche Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeiter bei der Umsetzung von Vereinbarkeit. Die Best Practice-Beispiele reichen dabei von individuell angepassten und flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitmodellen über Telearbeit bis hin zur Kinderbetreuung oder Wäsche- und Bügelservices, die von den Betrieben initiiert und teilweise subventioniert oder finanziert werden. Auch Mitarbeitergespräche hinsichtlich der Karriereplanung nach einer Auszeit werden von Arbeitnehmern sehr geschätzt.

Forum 2: Victoria Lassak, Yvonne Velten, Hans-Peter Kröske, Simone Back, Andrea Mohr, Christian Meyer (v.l.n.r.)

Eine familienfreundliche Personalpolitik ist für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf also zwingend erforderlich – doch existieren Hindernisse und Hürden, die es noch zu bewältigen gibt. Dazu zählt unter anderen, dass die Gesellschaft für eine partnerschaftliche Aufgabenverteilung sensibilisiert und eine Bewusstseinsänderung in unseren Köpfen erreicht werden muss. Denn es wird als selbstverständlich erachtet, dass Frauen am Arbeitsplatz offen über ihre Kinder reden, aber auch Männer sollten über ihre Vaterrolle sprechen können. Darüber hinaus ist es aber vor allem Aufgabe der Politik, den Ausbau von Kinderbetreuungsstätten zu fördern, denn nur so kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelingen.

Impulse setzten Hans-Peter Kröske, Leiter der Personalentwicklung beim Internationalen Bund, Christian Meyer, Stellvertretender Leiter Diversity und Soziales bei der Fraport AG, Andrea Mohr, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Arbeitsagentur Frankfurt, sowie Yvonne Velten, Leiterin Veranstaltungsmanagement bei der Taunus Sparkasse. Moderiert wurde das Forum von Simone Back, Projektleiterin und Trainerin bei der RKW Hessen GmbH.

Forum 3: „Mit Väterkompetenzen in Führung gehen“

Das Forum 3 beschäftige sich mit dem Thema Väterkompetenzen: jenen Fähigkeiten, die Väter – genauso wie Mütter – während der Elternzeit im Umgang mit ihren Kindern erlangen. Joachim Lask vom WorkFamily-Institut zeigte diese Kompetenzen anhand seiner Präsentation „Familie als informeller Lernort“ und verdeutlichte, wie man sie  gezielt am Arbeitsplatz nutzen kann. Dazu gehören beispielsweise Konfliktlösung, Organisation, Führungsqualitäten und Geduld. Die Elternzeit sei somit nicht nur eine Bereicherung für Kind, Frau und Mann, sondern auch für Unternehmen, weil sie von diesen Kompetenzen profitieren können.

Forum 3: Dr. Harald Seehausen, Joachim E. Lask (v.l.n.r.)

Dr. Harald Seehausen, Gründer der Frankfurter Agentur für Innovation und Forschung, stellte die „Commerzbank-Väter-Studie“ vor. Diese zeigt, dass immer häufiger auch Männer in Elternzeit gehen, weil sie mehr Zeit mit den Kindern verbringen, aber auch den Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern möchten. Trotz vielfältiger Angebote seitens der Commerzbank werde die Elternzeit für Väter von den Mitarbeitern verhältnismäßig selten angenommen. Laut Joachim Lask liege dies an den Ängsten der Männer vor einem Karriereknick, Verdienstausfall oder Machtverlust.
Deshalb engagieren sich die beiden Referenten Jan Willemsen und Olaf Johannsen von der Commerzbank AG im Unternehmensnetzwerk „Fokus-Väter“. Vier Samstage im Jahr treffen sich dort Väter zum Austausch und werden dabei von ihren Kindern begleitet. Die Kommunikation untereinander helfe dabei, den Ängsten der Väter entgegenzuwirken. Das Fazit von Brigitta Kreß, Moderatorin des Forums, lautete dementsprechend: Das Sensibilisieren und der Austausch über Netzwerke sind essentiell, damit auch die Elternzeit von Vätern in Führungsposition gelingen kann.

Autoren: Federica Cuticchio, Victoria Lassak, Gökan Tolga
Fotos: ©Stefan Krutsch/IHK Frankfurt

Zur Fotogalerie und den Vorträgen der Referenten geht es hier.

Präsentation Keynote:
Perspektiven einer väterbewussten Politik„, Dr. Martin Bujard

Präsentationen Forum 1:
Gesetz zur Einführung des ElterngeldPlus„, Tanja Keil
ElterngeldPlus ein Bonus für Väter„, Hans-Georg Nelles

Präsentationen Forum 2:
Der Internationale Bund (IB) – ein attraktiver Arbeitgeber„, Hans-Peter Kröske
Männer und Frauen am Arbeitsmarkt„, Andrea Mohr
Ein Blick aus der Unternehmenspraxis„, Yvonne Velten

Präsentation Forum 3:
Familie als informeller Lernort„, Joachim Lask