Nachbericht Kongress Neue Vereinbarkeit

 

Bloß nichts von der Stange – Hessens Unternehmen bieten Vereinbarkeit nach Maß

 

Grußwort Thomas Reichert, Vizepräsident der IHK Frankfurt am Main

Grußwort Thomas Reichert, Vizepräsident der IHK Frankfurt am Main

„Familie und Beruf kombinieren – das ist für Menschen heute ganz individuell, “ stellt Thomas Reichert, Vizepräsident der IHK Frankfurt fest. Der Gastgeber der Veranstaltung ist selbst seit seinem 21. Lebensjahr Unternehmer: „Sie können sich sicher vorstellen, wie Vereinbarkeit damals abgelaufen ist. Umso stolzer macht es mich und uns als Kammer, dass Unternehmen sich heute ganz anders mit diesen Themen auseinandersetzen.“ Reichert beobachtet auch einen erheblichen Wandel, was die Zielgruppe von familienfreundlichen Lösungen angeht: „Es geht nicht mehr nur um Frauen. Auch Männer wollen mehr für ihre Familien da sein. An diesen positiven Entwicklungen sollten nicht nur Unternehmen arbeiten, sondern auch die Politik: „Die Rahmenbedingungen sind die gesellschaftliche Grundvoraussetzung. Kinderbetreuung aber auch Pflege muss von der Politik noch weiter ausgebaut werden – vor allem im Hinblick auf steigende Geburten und immer älter werdende Menschen in unserer Region.“ Vizepräsident Reichert lobt die bereits vorhandenen Bestrebungen: „Das Thema ist zum Glück auch in der Politik angekommen.“

Grußwort Staatssekretär Wolfgang Dippel

Grußwort Staatssekretär Wolfgang Dippel

Und das ist es tatsächlich. Auch Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration Wolfgang Dippel weiß, dass sich Arbeitgeber heute auf völlig neue Forderungen einstellen müssen, um gute Fachkräfte an sich zu binden: „Für Arbeitnehmer zählt nicht mehr nur das Einkommen, sondern Faktoren wie qualitative Kinderbetreuung, Weiterbildungsangebote, Flexibilität und Mobilität.“ Für diese gestiegenen Anforderungen werden Chefs jedoch von ihren Mitarbeitern belohnt: „Die Menschen, die Familie führen, bringen zahlreiche Skills mit, denn gerade bei Führung kommt es auf die soziale Kompetenz an“, betont Dippel.

Keynote Dr. Nina Junker

Keynote Dr. Nina Junker

Sind Eltern die besseren Führungskräfte?

Dieser Frage ging die Sozialpsychologin Dr. Nina Junker in ihrer Keynote nach. „Lange Zeit sollten sich die idealen Mitarbeiter rein auf ihre Arbeit konzentrieren, sich nicht ablenken lassen, keine Verpflichtungen außerhalb der Arbeit haben, dafür aber am besten ständig erreichbar sein. Hier gibt es einen starken Wandel und Unternehmen erkennen mehr und mehr den Wert einer familienfreundlichen Arbeitsumgebung.“, so die Wissenschaftlerin. Doch dies gilt leider nicht für die oberen Etagen, wo oftmals ein sehr traditionelles Führungsbild herrscht und Elternschaft sogar ein Karrierekiller sein kann: „Führungskräfte, die familienfreundliche Angebote annehmen, werden als weniger karriereorientiert angesehen und als weniger verbunden mit dem Unternehmen.“, so Junker. Es kommt also zunächst darauf, ein modernes Verständnis von Führung zu etablieren, in dem es weniger um Präsenz und Autorität geht, sondern vielmehr um individuelle Motivation, Verantwortung und Kompetenz. Was dabei einen entscheidenden Faktor spielt, sind die individuellen Vorerfahrungen einzelner Menschen im Unternehmen. So müssen wir laut Junker ebenso weg von einem defizitären Blick auf Eltern. „Mütter und Väter sind Konfliktlöser, Coaches, aktive Zuhörer und vieles mehr – und diese Erfahrungen machen eine gute Führungskraft aus!“

Unternehmen beim Speed-Dating

Unternehmen beim Speed-Dating

In der Praxis angekommen

Den Mehrwert von Familie haben die 12 teilnehmenden Unternehmen am Speed-Dating längst erkannt. Sie zeigen deutlich: „Neue Vereinbarkeit“ meint in Wahrheit einfach: tatsächliche Vereinbarkeit. Vereinbarkeit, die so verschiedenen ist, wie die einzelnen Lebensmodelle und –phasen der Menschen, die sie in Anspruch nehmen sollen. Bei der EVO AG gibt es deshalb mehr als 30 verschiedene Teilzeitmodelle. Und bei den Stadtwerken Offenbach oder bei dem Ingenieurbüro Golükes ist es auch für Führungskräfte normal, diese in Anspruch zu nehmen.

Offener Austausch in der IHK Frankfurt

Offener Austausch in der IHK Frankfurt

Es kommt jedoch längst nicht nur auf die reine Organisation von Zeit an. Die Wertschätzung für Familie muss von ganz oben gelebt werden. Da sind sich alle Unternehmen einig. Bei der Sparkasse Waldeck-Frankenberg ist Vereinbarkeit fest verankert in der gesamten Personalstrategie. Und in Familienbetrieben wie der Bäckerei Simon, steht der Chef einem erkrankten Mitarbeiter persönlich zur Seite. Denn, warum eigentlich kompliziert, wenn Vereinbarkeit auch einfach sein kann? Bei Huhle Stahl- und Metallbau gibt es Windelgeld für die ersten 3 Lebensjahre: Familienfreundlich. Praktisch. Gut.

Klar ist, dass all diese Bemühungen auch mit gewissen Herausforderungen verbunden sind „Die wollen alle nur von 8 bis 12 arbeiten. Mein Betrieb muss aber bis zum Abend weiterlaufen“, hört man eine Unternehmerin sagen. Und auch dafür müssen Lösungen gefunden werden. Frische Ideen gab es an diesem Tag jedenfalls genug.

Autorin: Aisha Camara

Fotos: ©Hessenstiftung, Jens Braune del Angel

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