Charlotte Venema/Karlheinz Pape: “Corporate Learning Camp”

Innovatives Corporate Learning Camp an der FH Frankfurt / Ein Interview mit Charlotte Venema und Karlheinz Pape

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Charlotte Venema, Karlheinz Pape

Frau Venema, HessenMetall hat vor 5 Jahren die Community of Training Practice (CoTP) ins Leben gerufen. Warum?
VENEMA: Unternehmen müssen sich ständig weiterentwickeln. Die entscheidenden Impulse dafür kommen immer von innen. Die betrieblichen Trainingsorganisationen spielen dabei eine wichtige Rolle. Die sind aber in ihren Unternehmen oft einzigartig und haben schon zahlenmäßig intern kaum Gelegenheiten für einen kollegialen Austausch. Deshalb kam uns die Idee, die Funktionsträger für Weiterbildung unternehmensübergreifend zu vernetzen. Wenn diese Zielgruppe voneinander lernt, wird das die Entwicklung in deren Betrieben beschleunigen.

PAPE: Als Moderator dieser CoTP’s – inzwischen sind es schon zwei bei HESSENMETALL – halte ich es zusätzlich für nötig, die Führungskräfte betrieblicher Trainingsorganisationen bei dem anstehenden Veränderungsprozess hin zu neuen Formen des betrieblichen Lernens zu unterstützen. Die Entwicklung zu lernenden Organisationen stellt diese Zielgruppe vor ganz neue Herausforderungen. Da ist es besonders gut, Anforderungen und Lösungsansätze in einer neutralen Community gleicher Funktionsträger diskutieren zu können.

Haben sich die Erwartungen, die Sie mit der Gründung von CoTP verbunden haben, bislang erfüllt?
VENEMA: Dass diese Communities stetig wachsen, und wir jetzt schon 2 davon haben, die sich regelmäßig treffen, ist ein Zeichen dafür, dass es auch in den Unternehmen einen echten Bedarf gibt. Und die Teilnehmer übernehmen größere und kleinere Lösungen von ihren Kolleginnen und Kollegen.

PAPE: Derzeit erleben die meisten Trainingsorganisationen einen regelrechten Nachfrage-Boom. Die meisten arbeiten über ihrer Kapazitätsgrenze. Auch Überlast regt an, sich nach Erfahrungen mit anderen Lehr- und Lernformen umzusehen. Und da gibt es in den Communities immer Beispiele. So wird sich eine Community demnächst bei Adidas treffen, um sich deren Planungen für eine „Open Corporate University“ anzuschauen.

Wie genau muss man sich neue Trends in der betrieblichen Weiterbildung vorstellen?
VENEMA: Die schon genannte Entwicklung zu lernenden Unternehmen hebt die bisher klare Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden auf. Jeder ist dort mal Lehrender und mal Lernender – auch ohne dass dies jedes Mal bewusst wird. Das lernende Unternehmen setzt auf den selbständigen Austausch unter den Mitarbeitern. Der braucht nicht von einer anderen Funktion organisiert zu werden. Was aber nicht bedeutet, dass es künftig keine klassischen Trainings und Seminare mehr geben wird. Die werden aber vermutlich weniger. Dafür müssen wir neue Wege finden, Mitarbeiter beim selbständigen Erarbeiten von notwendigen Inhalten zu unterstützen. Das könnte z.B. eine Vorauswahl von geeignetem Lernmaterial sein, vielleicht sogar mit der Wahlmöglichkeit für unterschiedliche Lernertypen.

PAPE: Die gesamte Bildungslandschaft steht aus meiner Sicht vor großen Umbrüchen. Das betrifft natürlich auch die betriebliche Weiterbildung, die ja meist den gleichen Stil anwendet, wie es Schule und Universität vormachen. Dort steht die Vermittlung von Stoff noch im Vordergrund. Wissen ist aber nicht das Interesse von Unternehmen, sondern das Können, das richtige Handeln der Mitarbeiter. Und die Meisterschaft erwirbt man nicht im Seminar, sondern am Arbeitsplatz, beim Bewältigen der Arbeitsaufgabe. Dass man dafür auch Wissen benötigt ist unbestritten. Und genau da können künftige Lern-Dienstleistungen ansetzen, als hilfreiche Unterstützung beim persönlichen Erarbeiten eines Themas, vom Bereitstellen von kurzen Lerneinheiten über das Zugangschaffen zu relevanten Experten-Communities bis zur sichtbaren Bestätigung der erfolgreich gelösten Arbeitsaufgabe im Job.

Mit dem CorporateLearningCamp haben Sie auch eine neue Form des Lernens über Lernen entwickelt. Wie genau funktioniert ein solches Camp?
VENEMA: Das CorporateLearningCamp ist ein BarCamp. Dabei wird das sonst bei Konferenzen brach liegende Know-How der Teilnehmer im Plenum genutzt. Deshalb redet man bei BarCamps auch oft von „Teilgebern“, statt von Teilnehmern. Am Morgen eines jeden Tages wird die Agenda gemeinsam erstellt, aus den Vorschlägen der Anwesenden. Dass das so gut funktioniert, hat auch mich im letzten Jahr überrascht. Mehrere Räume waren ständig parallel mit verschiedenen Gruppen besetzt, die über unterschiedliche betriebliche Lehr- und Lern-Themen diskutierten. Und im Stundentakt wechseln die Themen und die Teilnehmer.

PAPE: Dieses Format fördert Lernen auf gleicher Augenhöhe. Nicht der vorher ausgesuchte Referent lässt sein Wissen „ins Plenum fließen“, sondern Kolleginnen und Kollegen geben und nehmen in dem Format. Und das ist sehr effektiv, weil man hier gleich verschiedene Perspektiven zu einem Thema bekommt. Deshalb ist es sehr hilfreich, wenn unterschiedliche Branchen und Funktionen beim CorporateLearningCamp zusammen kommen. Und damit die Hürde klein bleibt, sind BarCamps für Teilnehmer meist kostenlos, so auch das CorporateLearningCamp.

Noch eines möchte ich anmerken: Gerade für diejenigen, die Lernen in Unternehmen anregen, gestalten oder umsetzen, ist es interessant, dieses Lernformat einmal selbst zu erleben. BarCamps bilden eine ideale Lernumgebung für selbstgesteuertes informelles Lernen.

Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem ersten CorporateLearningCamp 2011 mitgenommen?
VENEMA: Allein schon das Konferenz-Klima war beeindruckend. So viel Begeisterung habe ich noch bei kaum einer Konferenz erlebt. Offenbar steckt in dem kollegialen Austausch auf neutralem Boden viel Potential. Das hat sicher auch damit zu tun, dass Teilnehmer hier nicht nur Empfänger sind, sondern gleichzeitig auch mit ihren eigenen Erfahrungen gefragt sind.

PAPE: Mich hat eine Session am meisten beeindruckt. Die ist am zweiten Tag entstanden, weil es am ersten Tag zwischen einem Leiter eines großen internationalen Training Centers und einer Wissenschaftlerin zu deutlich unterschiedlichen Meinungen kam zur Frage, ob man Soft-Skills auch als E-Learning vermitteln könne. Beide haben sich dann verabredet, dass in einer gemeinsamen Session auch mit anderen zu diskutieren. Die Session hat noch ganz viel weitere Anwendungen und Erfahrungen für Soft-Skills-E-Learnings sichtbar werden lassen. Hochspannend für alle Teilnehmer.

Was erwartet die Teilnehmer im Corporate Learning Camp 2012 in Frankfurt? Mit welchen Themenschwerpunkten rechnen Sie?
VENEMA: „Corporate Learning im Umbruch“ ist das Motto dieses CorporateLearningCamps. Ich denke, das wird diesmal auch die Themen bestimmen. Andererseits sind wir auch gespannt auf die Themen, die dort eingebracht werden. Die Teilnehmer sind ja frei, Themen einzubringen.

PAPE: Vom Nutzen des Lernens von und mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Unternehmen bin ich völlig überzeugt. Die Trainings-Herausforderungen sind in allen Unternehmen sehr ähnlich und werden schon heute unterschiedlich gelöst. Ob es sich um den Einsatz von Social Media fürs Lernen handelt, um die Unterstützung von Lerner-Communities, oder um die Umsetzung von Webinaren – uns alle interessiert, wer da welche Erfahrungen gemacht hat, und was man daraus lernen kann. Deshalb soll das CorporateLearningCamp zur jährlichen Weiterbildung für alle Corporate Learning Profis werden.

Generell wünsche ich mir, dass alle Teilgeber am Ende nachdenklich werden, wenn sie sagen, sie hätten viel gelernt beim CorporateLearningCamp. Und das, obwohl es keine didaktische Vorbereitung bei dieser Lernform gibt.

Charlotte Venema ist seit 1998 Leiterin Personalpolitik der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände und Hessen Metall. Sie moderierte beim Kongress das Kongress-Forum 2 zum Thema Weiterbildung und leitet den Forum Community of Training Practice.
Karlheinz Pape ist Berater für Corporate Learning, und unterstützt bei der Gestaltung betrieblichen Lernens. Er plädierte beim Kongress im Kongress-Forum 2 für Wissensmanagement über Unternehmensgrenzen hinaus. The Community of Training Practice.