Dr. Ulrich Kuther: „Erfahrungsaustausch 2.0“

Kuther_AusschnittVor dem Hintergrund einer elfjährigen Reihe von Kongressen zum Dialog von Familie und Beruf testet die hessenstiftung – familie hat zukunft ein webbasiertes Format. Der Erfahrungsaustausch soll denen entgegenkommen, die aus betrieblichen Erwägungen nicht zu Tagungen anreisen wollen oder können. Der Austausch soll sich im Internet den Zukunftsfragen stellen, wie familienorientierte jungen Menschen für den betrieblichen Erfolg zu gewinnen sind. Beruf und Familie werden nicht als Frauenthema angesprochen, sondern als strategische Anforderung an ein modernes Unternehmen. Daher der Titel: Ohne Väter geht es nicht. Interessenten für die Teilnahme am 1. März 2016, 17 bis 18 Uhr können sich jetzt anmelden unter: http://online-erfahrungsaustausch.hessenstiftung.de/anmeldung.htm

Dr. Ulrich Kuther, Geschäftsführer der hessenstiftung – familie hat zukunft nahm zu Fragen rund um den Online-Erfahrungsaustausch Stellung.

Was ist ein Online-Erfahrungsaustausch?
KUTHER: Wir versuchen, die bekannten ERFA-Runden ins Internet zu übertragen. Es ist also kein Webinar mit Kamera, sondern eher eigens gestaltetes Chatraum. Die Basis des Online-Erfahrungsaustausches bildet eine webbasierte Live-Interaktion mit Personalverantwortlichen und Beschäftigten der teilnehmenden Unternehmen, die sich unbeeinflusst von Hierarchie, Funktion oder Politik in einem moderierten und strukturierten Setting zu vorher definierten Fragestellungen rund eine Stunde lang intensiv austauschen. Der Austausch erfolgt schriftlich über eine Eingabemaske, für die alle Teilnehmer einen geschützten Teilnahmelink erhalten.

Warum wollen Sie ein neues Format testen?
KUTHER: Die hessenstiftung – familie hat zukunft kann auf zehn Kongresse in der Reihe „Dialog Beruf & Familie in Hessen“ zurückblicken, die in den Jahren 2004 bis 2015 mit verschiedenen Partnern durchgeführt wurden. Auch wenn die Kongressreihe weitergeführt wird, machten wir uns als Verantwortliche Gedanken, mit welchen neuen Formaten man auch diejenigen erreicht, die bisher nicht von den Veranstaltungen profitieren konnten. Viele wollten es sich zeitlich nicht einrichten oder konnten es sich nicht leisten, einen Arbeitstag für den Austausch einzusetzen. Geschäftsführer kleiner Betriebe, die wir gerne dabei hätten, können nicht einfach so für einen Tag aus Oberhessen nach Frankfurt kommen, weil sie den laufenden Betrieb aufrechterhalten müssen. Eine Stunde am Dienstag von 17 bis 18 Uhr, zu der er nirgendwo hinfahren muss, kann er aber schon ermöglichen.

Welche Zielgruppe wollen sie ansprechen?
KUTHER: Wir haben über die Jahre festgestellt, dass die großen Betriebe sich leichter mit Zukunftsfragen und Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auseinandersetzen können. Sie haben zum Teil Stabsstellen dafür, deren Personal zu Tagungen gehen und diese auch als Referenten bereichern kann. Das ist für kleine, mittelständische Unternehmen so nicht möglich, weil dort der Geschäftsführer zugleich der Personaler ist und er häufig unabkömmlich ist. Genau die kleinen Unternehmen möchten wir aber gern ansprechen, damit sie von den Erfahrungen der Großunternehmen profitieren. Wir haben bisher immer versucht, die Erkenntnisse der „Großen“ für die „Kleinen“ herunter zu brechen bei allem, was sich um die Fragen der Work-Life-Balance dreht. Ideal wäre es, wenn etwa 20 Personaler aus Großunternehmen mitdiskutierten und 100 aus kleinen Unternehmen, am besten gut gemischt, was Führungsebene, Teamebene oder Experten angeht. Untereinander werden die es nicht wissen, weil alle schriftlichen Kommentare anonym bleiben. So kann es ein richtiger „Think Tank“ werden zu unserem Thema „Familie und Beruf: Ohne Väter geht es nicht“.

Wie kommen Sie zum Thema „Ohne Väter geht es nicht“?
KUTHER: Wir wollten für den 1. März direkt an die Diskussion beim Kongress am 7. Dezember in der IHK Frankfurt am Main anknüpfen, als wir über „Beruf, Familie, Männer“ sprachen. Ernsthaft und strategisch interessant wird das Vereinbarkeits-Thema, wenn es der reinen Frauenecke herauskommt und beide Geschlechter gleichermaßen betrifft. Deswegen haben wir über die partnerschaftliche Ausrichtung der ElterngeldPlus gesprochen, über neue Arbeitszeitmodelle, die den familiären Bedürfnissen Rechnung tragen und über die Familie als nicht formellen Lernort für die auch betrieblich nutzbaren Kompetenzen. All das wird wieder eine Rolle spielen.

Wann ist der Online-Erfahrungsaustausch für Sie ein Erfolg?
KUTHER: Erstens, wenn ausreichend Menschen an dem Format Interesse zeigen, d.h. mehr als fünfzig. Zweitens wenn wir entsprechend positive Rückmeldung auf den binnen eines Monats verschickten Bericht erhielten. Und drittens, wenn die Frage nach einer Fortsetzung auftauchte. Inhaltlich hielte ich es für einen Erfolg, wenn der eine oder andere Geschäftsführer äußern würde, dass er nicht noch höheren demografischen Druck abwarten will, sondern jetzt schon die Weichen für einen familienorientierten Betrieb stellen und damit junge familienorientierte Menschen anlocken will. Und das sind Mütter und eben auch Väter.