Dr. Max Neufeind: „Zukunft der Arbeit: Experimentierräume statt Blaupausen“

Interview mit Dr. Max Neufeind

Dr. Max Neufeind

Dr. Max Neufeind

Was bedeutet die neue Qualität der Arbeit unter digitalen Vorzeichen?

Dr. Max Neufeind: Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt und stellt neue Anforderungen an Strukturen, Arbeitsmethoden und Qualifikationen. Im Dialogprozess Arbeiten 4.0 des Bundesarbeitsministeriums ist eines besonders klar geworden: Für eine gelungene Arbeitswelt der Zukunft gibt es keine Blaupause, weder für Unternehmen noch für die Gesellschaft. Vielmehr geht es darum, sich in die Arbeitswelt der Zukunft vorzutasten und dabei sicherzustellen, dass die Veränderungen den Interessen der Unternehmen und der Beschäftigten entsprechen. Im Weißbuch Arbeiten 4.0 wurde ein analytischer Rahmen abgesteckt, erste Gestaltungsoptionen wurden präsentiert. Die Debatte darüber, wie wir in Zukunft arbeiten werden und vor allem arbeiten wollen, ist aber natürlich nicht abgeschlossen.

Welche betrieblichen Veränderungsprozesse müssen in den KMU angestoßen werden, damit deren Wettbewerbsfähigkeit im demografischen und digitalen Wandel erhalten bleibt?

Dr. Max Neufeind: Wir reden gerade viel über Blockchain und künstliche Intelligenz. Technologie ist ein zentraler Treiber für wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Natürlich müssen sich KMU fragen, wie sie Geschäftsmodelle zukunftsfähige ausrichten. Ich glaube aber, dass der digitale Wandel vor allem Fragen der Personalpolitik mit neuer Dringlichkeit stellt. Wie sichere ich nachhaltig die Kompetenzentwicklung meiner Beschäftigten, auch bei im Durchschnitt immer älteren Belegschaften? Wie bringe ich Kundenerwartungen und Beschäftigtenbedürfnisse zusammen? Wie passe ich meine Organisationsstruktur einer dynamischeren Umwelt an? Das sind zentrale Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit von KMU.

Welche praktischen Hilfen bietet die INQA den KMU an, die mit der Digitalisierung umgehen müssen?

Für die wichtigen personalpolitischen Fragen, ob Arbeitszeitgestaltung, Kompetenzmanagement, Führungskultur oder gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung, bietet INQA ein breites Angebot an Unterstützung für KMU. Um KMU auf den digitalen Wandel vorzubereiten haben wir zwei neue Angebote entwickelt: Das Webportal www.experimentierräume.de bietet KMU einen Einblick, wie andere Unternehmen zukunftsfähige Arbeitskonzepte in der betrieblichen Praxis erprobt haben. Wie kann man digitale Technologien nutzen, um die Arbeit zu erleichtern? Welche neuen Arbeitszeitmodelle sind möglich, um den betriebswirtschaftlichen Anforderungen ebenso gerecht zu werden wie den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Wie kann die Digitalisierung helfen, älteren Beschäftigten mehr Teilhabe zu ermöglichen? Es gibt keine pauschalen oder abschließenden Antworten auf diese Fragen. Aber es gibt Unternehmen, die in geschützten Räumen neue Gestaltungsansätze ausprobieren. Diese Lern- und Experimentierräume haben drei Dinge gemein: die Offenheit gegenüber modernen Technologien, die konsequente Beteiligung der Beschäftigten und eine systematische Evaluation, die einen Transfer in andere Unternehmen möglich macht. Den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer ergänzt das ESF-Programm „unternehmenswert:Mensch plus“, bei dem KMU direkte und praktische Unterstützung bei der Bewältigung der digitalen Transformation erhalten.

Dr. Max Neufeind ist Referent für Grundsatzfragen der Arbeitspolitik im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und ist Referent im Bistrotalk „Generationen im Takt?“ des 8. Demografiekongresses.