Kongress-Nachbericht: Willkommenskultur

Versuchslabor FrankfurtRheinMain: Ist die Willkommenskultur wirklich schon so gut, wie wir denken?
Das Projekt „Willkommen in Frankfurt am Main“ (Europabüro der Metropolregion FrankfurtRheinMain) und der neu gegründete „Arbeitskreis Willkommenskultur“ im Demografienetzwerk FRM widmen sich dieser Thematik. Susanna Caliendo, Leiterin des Arbeitskreises und des Europabüros, stellte zu Beginn des Kongress-Forums die Ziele und Aufgaben des Projektes und Arbeitskreises heraus und fasste die Ergebnisse der ersten beiden Treffen zusammen: Eine Roadmap gliedert die konkreten Schritte, die sich der Arbeitskreis als Aufgaben gesetzt hat. Beim nächsten Treffen, Mitte des Jahres, definieren die einzelnen Akteure, Unternehmen und Institutionen, genauere Maßnahmen für eine Strategie der Zuwanderung.D54A6239 (Small)

„Jeder Mensch hat das Recht zu entscheiden, wo er leben möchte.“ Beim diesjährigen Kongress lag der Fokus im Kongress-Forum Willkommenskultur bewusst auf der Flüchtlingsthematik. Miltiadis Oulios, Neue Deutsche Medienmacher, machte beim ersten Impulsvortrag deutlich, dass dieses Recht nicht gesetzlich festgelegt sei. Viele Flüchtlinge könnten sich nicht auf eine Willkommenskultur in Deutschland verlassen. Von der Aufenthaltsgenehmigung zur Duldung bis hin zum Bleiberecht sei der Weg lang. Einige Flüchtlinge entwickeln deshalb eine „eigene Strategie“ gegen die staatlichen Forderungen und Regelungen. Dahinter stecke das Verlangen nach Freiheit, erklärte Oulios. Sie akzeptieren den Ausschluss nicht. Die Politik bliebe widersprüchlich und ließe oft keinen anderen gangbaren Weg aus der Not.

IMG_4115Zerai Abraham schärfte mit seiner HiddenCash-Aktion Ende letzten Jahres vor allem die Aufmerksamkeit für die Perspektive vieler Flüchtlinge und bestätigte diese Ansicht im Forum. Seine eigene Erfahrung führt ihn zur Erkenntnis: Die meisten Menschen, die flüchten, könnten ihre Zukunft im Herkunftsland sehr gut einschätzen. Sie sei vorhersehbar grausam. Er selbst ist als ehemaliger Flüchtling 1984 als Kind aus Eritrea nach Deutschland geflohen. Einige Flüchtlinge erfänden deshalb eine glaubhafte Geschichte für die deutschen Behörden, erklärte Abraham. Diese biete eine Chance, um in Deutschland geduldet zu werden. Die erfundene Vergangenheit wird oft als erzwungene Täuschung erlebt, die bei derzeitigem deutschen Recht notwendig erscheine: Das deutsche Recht sei aktuell noch deutlich gegen eine Integration von Flüchtlingen. Neben einer Änderung der gesetzlichen Regelungen sieht Zerai Abraham individuelle Beratungsgespräche als eine Lösung, um die Hürden zu nehmen, die ankommende Flüchtlinge zu meistern haben. Eine Duldung bedeute noch keine Entlastung, sondern oft mehrere Jahre die tägliche Ungewissheit und Angst abgeschoben zu werden. Diese Methoden dienen zur Abschreckung, Integration sehe anders aus: Eine Verkürzung der Verfahren wäre ein Weg, um eine Integration zu erleichtern oder zumindest nicht zu behindern.

IMG_4116In der anschließenden offenen Diskussion im Plenum kamen weitere Aspekte und Lösungsideen für die fehlende Integration heraus. Geladene Themenexperten und Forumsteilnehmer meldeten sich zu Wort: Wie wichtig ist der Zugang zu Bildung? Sprachkurse als Maßnahme, um die Integration von Flüchtlingen zu verbessern, wurden diskutiert. Doris Klinger von der Hochschule RheinMain berichtete aus ihrer Erfahrung mit dem Projekt „Deutsch mit Flüchtlingen“. Dabei sei die Logistik besonders herausfordernd, da die Teilnehmerzahl weiter zunehme und auch der Bedarf an die Beratung steige. Studierende investieren bereits 30 Stundenwochen in Form einer Projektarbeit begleitend zum Studium.

Martin Lauterbach, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, informierte über aktuelle Abschieberechte und Integrationsaufträge und referierte zum Thema „Flüchtlinge als Fachkräfte? Rahmenbedingungen und Erfahrungen im Modellprojekt der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge „Jeder Mensch hat Potenzial“.“
Timmo Scherenberg, Hessischer Flüchtlingsrat, betonte in der Diskussion zudem den Unterschied zwischen dem Land Hessen und der Bevölkerung in der Rhein-Main-Region. Die Aufgabe des Landes sei die Unterbringen, nicht aber die Integration. Wolfgang Hofmann vom Jobcenter Landkreis Gießen, bestätigte dieses Bild, indem er bemerkte, dass Flüchtlinge als Fachkräfte nicht im Blick seien, denn es fehle allein schon an zielgerichteten Infoflyern in verschiedenen Sprachen.

Vortrag „Willkommen in FrankfurtRheinMain“, Susanna Caliendo
Manuskript „Jenseits der Willkommenskultur“, Miltiadis Oulios
Vortrag „Flüchtlinge als Fachkräfte?“, Martin Lauterbach

Autorin: Chrisula Dingiludi