Nachbericht 7. Demografiekongress

 

Aufbruch in eine neue Arbeitswelt

 

v.l.n.r.: Karl-Heinz Schulz, Prof. Dr. Mathias Müller, Prof. Dr. Gunter Dueck, Sonja Lambert, Markus Müller, Michael Kornhuber, Sven Astheimer

v.l.n.r.: Karl-Heinz Schulz, Prof. Dr. Mathias Müller, Prof. Dr. Gunter Dueck, Sonja Lambert, Markus Müller, Michael Kornhuber, Sven Astheimer

Infolge der zunehmenden Digitalisierung wird die Arbeitswelt mobiler, vernetzter und flexibler. Welche Anforderungen erwachsen daraus für Arbeitnehmer und Führungskräfte? Antworten lieferte der 7. Kongress des Demografienetzwerkes FrankfurtRheinMain in der IHK Frankfurt am Main.

Die Digitalisierung krempelt die Arbeitswelt um: Angestellte sind nicht mehr an einen festen Arbeitsort und feste Arbeitszeiten gebunden. Projekte werden in wechselnden Teams durchgeführt, Entscheidungen im Kollektiv getroffen. Führung ist nicht mehr hierarchisch, sondern „agil“. Home Office, Co-Working Spaces und Jobsharing sind Begriffe, die nicht nur unseren Sprachschatz erweitern – sondern eben auch die Möglichkeiten, Arbeit neu zu organisieren.

Spiegelt dies die aktuelle Arbeitswelt wieder? Befinden wir uns also bereits in einer „durchdigitalisierten 4.0-Welt“? Oder stecken wir bei 1,3 fest, wie Keynote-Speaker Prof. Gunter Dueck, Mathematiker und Autor, behauptete? Die Diskussionen auf dem 7. Demografiekongress in der IHK Frankfurt am Main pendelten auf der Skala zwischen 1,3 und 4.0 – in einem waren sich aber fast alle Teilnehmer einig: Die zunehmende Digitalisierung kann Fluch, aber auch Segen sein, vor allem bietet sie aber unheimlich viele Chancen.

Prof. Mathias Müller, Präsident der IHK Frankfurt am Main

Prof. Mathias Müller, Präsident der IHK Frankfurt am Main

Prof. Mathias Müller, Präsident der IHK Frankfurt am Main, stellte in der Kongresseröffnung die Chancen der zunehmenden Digitalisierung in den Mittelpunkt: „Die deutsche Wirtschaft profitiert enorm vom Mittelstand und seiner Innovationsfähigkeit. Insbesondere mittelständische Unternehmen sind in der Lage, die Märkte mit passgenauen Produkten zu versorgen. Wenn wir diese Stärken mit den Möglichkeiten der Digitalisierung zusammenbringen, kann ein erheblicher Mehrwert entstehen.“ Um dies zu erreichen, müsse es in noch stärkerem Maße als bisher gelingen, Vorteile aus den technischen Möglichkeiten zu ziehen. „Wir sollten ein Verständnis dafür erlangen, wie wir uns die Digitalisierung bestmöglich zu Nutze machen können“, sagte Prof. Müller.

Keynotespeaker Prof. Dr. Gunter Dueck

Keynotespeaker Prof. Dr. Gunter Dueck

Prof. Gunter Dueck wies ebenfalls auf die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Digitalisierung hin – beispielsweise, dass der gesamte Straßenverkehr auf selbstfahrende Taxis umgestellt werden könnte. Solchen ambitionierten Zielen würden aktuell aber noch zahlreiche Hindernisse entgegenstehen, zum Beispiel dadurch, dass keine ausreichende Infrastruktur für das „Internet der Dinge“ vorhanden sei. Im unternehmerischen Bereich können ehrgeizige Pläne oftmals deshalb nicht erreicht werden, „weil die Mentalität der Leute nicht mitkommt“, sagte Prof. Dueck. Die Mitarbeiter müssten sich mit einer Veränderung der Kernkompetenzen auseinandersetzen: „Die Digitalisierung läuft darauf hinaus, dass die Routinearbeit von Computern und Robotern übernommen wird. Menschen werden nur noch zum Ausführen einfachster Computeranweisungen gebraucht oder für Komplexeres wie Verhandeln, Verkaufen, Motivieren, Inspirieren und Durchsetzen. Leider bringen aber die wenigsten diese Fähigkeiten mit.“

Dieser ernüchternden Erkenntnis setzten die Teilnehmer des anschließenden Bistro-Talks Mut machende und praktische Ansatzpunkte entgegen: „Man muss als Unternehmen nicht bei 4.0 anfangen. Wichtig ist, das Positive der Digitalisierung für sich zu erkennen und einfach den Anfang zu machen“, sagte Michael Kornhuber, Mitgründer des Start-ups delgate. Kornhuber unterstützt Firmen darin, starre Prozesse und Hierarchien abzubauen, sie transparenter, flexibler und wettbewerbsfähiger zu machen sowie Arbeitnehmern mehr Autonomie und Freiräume zu bieten.

Talkrunde mit Kornhuber, Dueck, Astheimer, Lambert und Müller (anbei)

Talkrunde mit Kornhuber, Dueck, Astheimer, Lambert und Müller (anbei)

Markus Müller, Manager Human Resources bei der Lilly Deutschland GmbH, beschrieb, wie ein entsprechender Wandel der Unternehmenskultur auf den Weg gebracht werden kann. Müller berichtete von einer „Transformationsreise“, auf der sich das Unternehmen befindet. Sein Ziel sei es, Kollegen in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, sodass Führung auf Augenhöhe gelebt werden könne. Um dies zu erreichen, haben sich Mitarbeiter quer durch das Unternehmen zu zwölf Arbeitsgruppen zusammengefunden und beteiligen sich so an der Entwicklung der langfristigen Personalstrategie. Müller gab ehrlich zu, dass dadurch nicht jeder Mitarbeiter eingebunden werde könne und insbesondere auf Führungskräfte Herausforderungen zukommen würden. Nichtsdestotrotz ist „der Zug in Richtung Mitarbeiterbeteiligung abgefahren und viele sind bereits zugestiegen“, so Müller.

Die AOK Hessen hat auf der „Transformationsreise“ insbesondere die zwischen verschiedenen Generationen bestehenden Stereotype im Blick: Wie denken die älteren Kollegen über die jüngeren und was trauen diese sich selbst noch zu – diese und viele weitere Aspekte wurden im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung erhoben. Sonja Lambert, Leiterin der Stabsstelle Diversity Management bei der AOK Hessen, fasst die Ergebnisse zusammen: „Die Generationen denken insgesamt positiv übereinander, sind aber in bestimmten Altersbildern verhaftet. Daraus resultieren vielfältige Altersstereotype, die auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung wirken und Personalmaßnahmen stark beeinflussen können.“ Lambert setzte sich für ein neues Verständnis von Arbeit und Alter ein: „Führungskräfte sollten ein positives Bild von älteren Mitarbeitern haben, diesen etwas zutrauen und ihnen auch fordernd gegenübertreten.“

Plenarsaal mit über 400 Gästen

Plenarsaal mit über 450 Gästen

Mitarbeiterbeteiligung, das Aufbrechen von Generationenstereotype und das alles im Kontext der Digitalisierung: Führungskräfte sind an vielen Fronten gefordert. Auf die Frage, wie die unterschiedlichen Anforderungen unter einen Hut gebracht werden können, gingen die Ratschläge der Diskutanten in eine ähnliche Richtung: „Antennen ausfahren“, „Ab nach draußen statt drinnen zu hocken“, „Mit den Veränderungen auseinandersetzen, Mut haben und anpacken“. Die mehr als 400 Teilnehmer haben mit ihrem Besuch des 7. Demografiekongresses genau dies gemacht und konnten sicherlich zahlreiche und vielfältige Aspekte für den individuellen Aufbruch in eine neue Arbeitswelt mitnehmen.

Umrahmt wurde das Programm durch die Tape-Art-Künstler von TAPE OVER BERLIN. Sie erstellten aus handelsüblichen Klebebändern ein Kunstwerk zum Thema. „Führungslinien“ zeigten schon den Weg vom Börsenplatz in die Frankfurter IHK auf.

TapeArt

TapeOver Berlin

Auf einer großen weißen Wand entstand im Laufe des Kongresses ein Kunstwerk, das aus den Führungslinien herausbrach und zu frei fliegenden Vögeln als Symbol für Freidenker wurde. Die Künstler LaMia, Maxi und Jerome haben bereits mehrere Auszeichnungen für Ihre Arbeiten erhalten und LaMia zählt zu den besten 15 Künstlern, die vom PRINT Magazine ausgezeichnet wurden.

Das Kunstwerk regte zu Diskussionen und Staunen an und wird noch längere Zeit in der IHK Frankfurt am Main zu besichtigen sein.

Autor: Christian Wessling, IHK Frankfurt am Main

Fotos: © IHK Frankfurt am Main / Goetzke Photographie

Zur Präsentation (PDF)

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Präsentation „Alles soll plötzlich agil und 4.0 sein!“ von Prof. Dr. Gunter Dueck
Präsentation „Lernen 4.0 – wenn aus Noten Kompetenzen werden“
Präsentation Forum 2 „Metropolregion“

Nachbericht 7. Demografiekongress
Nachbericht Forum 1: Arbeit 4.0
Nachbericht Forum 2: Metropolregion
Nachbericht Forum 3: Willkommenskultur
Nachbericht Forum 4: Barcamp

Bildergalerie 2017