Forum 6 – Europa: Kongress-Nachbericht

Peter Bonin

Peter Bonin

Susanna Caliendo

Susanna Caliendo

Noch immer fallen Jugendliche aus zugewanderten Familien bei Beschäftigungsquoten und bei der Verteilung von Ausbildungs- und Studienplätzen in der Region FrankfurtRheinMain hinter dem Durchschnitt zurück. Was bedeutet Integration? Erwarten wir zu viel? Sind wir wirklich offen für Vielfalt? Oder fehlt Deutschland eine gesellschaftliche Vision gegen den Fachkräftemangel, die Migranten einbezieht und ihnen die positive Indentifikation damit erlaubt? Das Forum Europa ging diesen Fragen nach und ließ neben Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Kommunen auch ausländische Fachkräfte zu Wort kommen.

Knapp 140.000 Fachkräfte fehlen der Region FrankfurtRheinMain. Wie sieht dazu die Unternehmenspraxis aus?
Christian Weßling, Referent der IHK Frankfurt am Main, gab zu Beginn der beiden Talkrunden gleich diese ernüchternde Zahl bekannt. Nilüfer Tunc, Steuerberaterin bei der ADA GmbH Steuerberatungsgesellschaft, antwortete auf diese Frage mit einer Erkenntnis, die ihr kürzlich bewusst wurde: Sieben ihrer Mitarbeiter sind über 50 Jahre alt. Aktuell decken die Auszubildenden den Fachkräftebedarf im Betrieb aus, aber wie sieht das in den nächsten 20 Jahren aus? Ihr Betrieb ist international und heterogen aufgestellt: Viele MitarbeiterInnen stammen aus einem nicht-deutschen Herkunftsland. Ein Mitarbeiter ist bereits elf Jahre dort tätig gewesen, andere sind noch am Anfang ihrer Berufskarriere. Auch Marcel Schmitt, Geschäftsführer von der Elektrobau Schmitt GmbH, gab ähnliche Bedenken an.

EuropaDie Lösung scheint simpel: Fachkräfte aus dem Ausland können diese Lücken füllen. Doch wie wird diese Fachkräfteoffensive möglich gemacht?
Rolf Keil, Referatsleiter, Hessisches Ministerium für Soziales und Integration, bezog Stellung zur aktuellen Lage: Er bedauert den Stop der ESF-Finanzierung für ausländische Fachkräfte, gerade weil kurz vorher noch Werbekampagnen zum Angebot liefen. Die Finanzierung der Ausbildung ausländischer Fachkräfte werde vom Frankfurter Krankenhaus selbst getragen, erklärte Margarete Post, Pflegedirektorin/Prokuristin im Krankenhaus Nordwest in Frankfurt an dieser Stelle. Björn Gruber, Projektleiter Arbeitsmigration und Entwicklung, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), schilderte außerdem die Rolle und Aufgaben der GIZ beim Austausch von ausländischen Fachkräften. Eines wurde deutlich: Um die richtigen Fachkräfte und -arbeiter aus dem Ausland zielgerichtet und langfristig aus dem Ausland gewinnen zu können, benötigt die Region FrankfurtRheinMain eine Strategie- und eine Anwerbekampagne, die sich für beide Seiten lohnt: Für die Unternehmen und für die Fachkräfte aus dem Ausland. Nilüfer Tunc brachte ihre Haltung in der Talktrunde dazu klar auf den Punkt: „Integration erfordert persönlichen Einsatz der Arbeitgeber“, mit dem sie ihren Respekt zum Ausdruck bringen. Neben respektvollen Umgang im Unternehmen sind auch die Qualifikation und das Herkunftsland der Fachkräfte weitere Diskussionspunkte. „Vor allem der Ausbildungsstand entscheide darüber, wie schnell die Fachkräfte vollerwerbsfähig sind“, betonte eine Pflegekraft aus dem Krankenhaus Nordwest, die für ihre Tätigkeit aus Bosnien nach Frankfurt gezogen ist.

Willkommen in FrankfurtRheinMain – Ist die Region so international und offen wie ihr Ruf?
In der zweiten Talkrunde stellte Prof. Dr. Andreas Klocke, geschäftsführender Direktor des Forschungszentrum Demografischer Wandel an der FH Frankfurt, die Hertie-Studie vor. 3.000 Personen wurden zur Internationalität von Frankfurt befragt. Über 90 % bestätigten, dass sie die Stadt als weltoffen wahrnehmen. Es gäbe viele unterschiedliche kulturelle Gruppen, aber keine Parallelgesellschaft in Frankfurt. Ein weiteres Ergebnis der Studie zeigt: Mit der Aufenthaltsdauer steigt auch die Zufriedenheit und Lebensqualität der Befragten. Javier Andrés Ferreras, Auszubildender im „Spanienprojekt“ der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main (HWK Frankfurt), beschrieb seine ganz persönlichen Erfahrungen in Deutschland, die auch von Sprachbarrieren geprägt seien. Begleitet wurde er von Alberto Coronado Santos, Projektleiter des „Spanienprojekts“ der HWK Frankfurt.

Auch ein Wunschzettel an Politik und Wirtschaft wurde aus der Runde formuliert:
Mehr Gleichberechtigung in politischen Entscheidungen für Fachkräfte aus dem Ausland, Familienzusammenführungen erleichtern und einen Aufenthalt auf Dauer ermöglichen, um in die Zukunft planen zu können.

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