Nachbericht Forum 3: „Ausstieg – Flexibilisierungen für Pflege und Ruhestand“

Statistiken zu den demografischen Strukturen in der Arbeitswelt zeigen, dass 2016 45 Prozent der Beschäftigen das 45. Lebensjahr bereits überschritten haben und 20 Prozent sogar über 55 Jahre alt sind. Hinzu kommt, dass jede fünfte Erwerbsperson einer Pflegeaufgabe nachgeht, die im Alltag vom Umfeld gar nicht wahrgenommen wird. Und das in einer Arbeitswelt, in der Arbeitsstrukturen und –prozesse, aber auch die Erwartungen und Bedürfnisse aufgrund der Digitalisierung immer komplexer werden. Wie gehen wir also um mit einer immer älter werdenden Arbeitsgesellschaft, die im schlimmsten Falle der digitalen Komplexität nicht gewachsen ist? Dr. Rüdiger Koch, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender von Merz GmbH & Co. KGaA, nennt vier zentrale Maßnahmen, auf die ein Unternehmen hierbei achten muss:

  1. Qualifizierungsmaßnahmen – sei es sprachlicher oder digitaler Natur – müssen sichergestellt werden.
  2. Der Mitarbeitergesundheit muss besondere Beachtung gewidmet werden.
  3. Den Mitarbeitern müssen räumliche und zeitliche Flexibilisierungsprozesse ermöglicht werden.
  4. Der Prozess des Arbeitsausstieges, sprich die Rente, muss nicht nur vorbereitet, sondern auch ab dem 50. Lebensjahr begleitet werden.

hessenstiftung_088Die Diskutanten des Forums stellen im Einklang fest: Die Chemiebranche nimmt hierbei eine Leuchtturmfunktion ein. Die Folgen des demografischen Wandels veranlassten diesen Sektor zu handeln, weshalb schon frühzeitig tarifvertragliche Maßnahmen wie beispielsweise Lebensarbeitszeitkonten eingeführt wurden. Uwe Werther, Geschäftsführer der Projektplan Venture Consult GmbH in Osnabrück, betont in diesem Zusammenhang eine weitere Besonderheit der Lebensarbeitszeitkonten: Sie kommen nicht nur für große Großbetriebe in Frage, sondern können ebenso in KMUs eingesetzt werden. Ein weiteres Beispiel neben den Lebensarbeitszeitkonten wären Weiterbildungsmaßnahmen zu sogenannten „Pflegeguides“. Auch Arbeitszeitgestaltungsprozesse waren in diesem Kontext ein zentrales Thema: Dank des Flexi II-Gesetzes können Arbeitszeiten auch als Kredit genommen werden. Dies spielt dann eine Rolle, wenn Mitarbeiter es sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten können, „frei zu nehmen“.  Für Modelle dieser Art müssen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sensibilisiert werden. Die gleiche Art der Sensibilisierung gilt übrigens für Mitarbeiter, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr die gewünschte Leistung erbringen können. Nora Hummel vom Arbeitgeberverband Chemie und verwandte Industrien für das Land Hessen e.V. kennt auch für diese Herausforderung die Lösung: Durch Mehrfachqualifizierungen, berufliche Umorientierungsprozesse oder ein Zeiterwerbskonto kann Problemen wie einem Schonarbeitsplatz oder Dauerkrankheitsphasen bis zum Ruhestand die Stirn geboten werden. Auch sie betont in diesem Zusammenhang, dass Führungskräfte und Personaler entsprechend geschult werden müssen.