Kompaktkongress Mainz – Nachbericht

„Arbeit 4.0 – Fachkräftemangel adé?“

IHK: Kompaktkongress Arbeit 4.0 Foto: hbz/Stefan Sämmer 13.10.2015

Dr. Engelbert J. Günster, IHK für Rheinhessen

Arbeit 4.0 – ein fundamentaler Wandel mit vielen Herausforderungen und noch mehr Chancen
Wird eine Arbeitswelt 4.0  das bestehende Problem eines Fachkräftemangels beheben können? Und wird eine durch die digitale Arbeitsweise flexibilisierte Arbeitswelt stets von lebenslangen Lernprozessen, interdisziplinärem Denken und Handeln wie auch höheren IT-Kompetenzen begleitet? Klassische Fragen, die mit den Begriffen digitale Arbeitswelt, Industrie und Arbeit 4.0 einhergehen. Diese und weitere Fragen behandelte der Kompaktkongress am 13. Oktober in der IHK für Rheinhessen in Mainz.  Neben diesen Prognosen betonte Dr. Engelbert J. Günster, Präsident der IHK für Rheinhessen, in seiner Begrüßungsrede vor 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wirtschaft und Politik jedoch eine Gewissheit: Die Arbeitswelt befinde sich in einem fundamentalen Wandlungsprozess. Auch wenn eine Reduktion der produzierenden Arbeitskräfte stattfinden sollte, die Massen, die weiterhin produziert werden, schaffen neue Arbeitsplätze, so der IHK-Präsident. Denn eine Industrie 4.0 entwickle ihre  eigene Arbeitswelt, -modelle wie auch -berufe, was nicht einer Abschaffung von Arbeitsplätzen gleichkomme.

IHK: Kompaktkongress Arbeit 4.0 Foto: hbz/Stefan Sämmer 13.10.2015

Kristian W. Tangermann, BMAS

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“
Mit diesem Zitat von Niels Bohr begann Kristian W. Tangermann, Referent im Bundesministerium für Arbeit und Soziales seinen Vortrag. Ein Zitat, was noch mehr Sinn macht, wenn man die Arbeitswelt genauer betrachtet. Tangermann führte beispielhaft vor, in welchem tiefgreifenden Wandlungsprozess die Arbeitswelt sich befinde: Demografischer Wandel und ihr Einfluss auf den Fachkräftebedarf, Globalisierung und ihre Auswirkungen auf Wirtschaft, Arbeit und Sozialstaat wie auch die Wirkungen des Kultur- und Wertewandels seien nur einige Trends und Herausforderungen, denen eine Arbeitswelt 4.0 ausgesetzt ist. Und ihre Auswirkungen? Arbeitsformen wie Crowdworking, Solo-Selbständigkeit, Telearbeit, mobile Arbeit, Jobverluste im Finanz und Versicherungssektor – und gleichzeitiger Zuwachs in der Logistikbranche befinden sich zwar in ihren Anfängen, aber Tendenz steigend. Doch die Gestaltungsaufgaben seien aus politischer Sicht heute schon definierbar: So müsse die Teilhabe an Arbeit gesichert sein, eine lebensphasenorientierte Arbeits- und Sozialpolitik müsse definiert, gerechte Löhne und soziale Sicherheit müssten gewährleistet werden. Auch Arbeitnehmer müssten für die Arbeit von heute und morgen qualifiziert werden, ohne dabei die Qualität der Arbeit zu reduzieren. Unverzichtbar seien ebenso eine gute Unternehmenskultur, eine demokratische Teilhabe sowie die Schaffung von Institutionen des Sozialstaates in der Arbeitswelt 4.0. Die Politik sieht sich diesen Herausforderungen ausgesetzt und liefert bereits die ersten Antworten. Mit dem Grünbuch, einem zentralen Referenz-Dokument für den Dialogprozess hinsichtlich des Arbeitens 4.0, begründet das BMAS  die politische Herangehensweise sowie seine Ziele für eine Arbeitswelt 4.0. Das Referenz-Dokument ist als PDF-Vorlage online hier zu erwerben.

IHK: Kompaktkongress Arbeit 4.0 Foto: hbz/Stefan Sämmer 13.10.2015

Dr. Winfried Kösters

Arbeit 4.0 – „Kümmerer braucht das Land“
Ob und inwieweit die Arbeitswelt 4.0 einen Fachkräftemangel kompensieren kann, stellte  Winfried Kösters, freier Publizist und Unternehmensberater, in seinem fesselnden und lebhaften Vortrag dar. Laut einer Studie der Boston Consulting Group fallen wegen der Digitalisierung bis 2025 rund 610.000 von sieben Millionen Arbeitsplätzen in der Industrie weg, jedoch entstehen 960.000 neue Arbeitsplätze. Es sind sieben Zielgruppen, die zur Befriedigung des Fachkräftebedarfs unter allen Umständen berücksichtigt werden müssen: Frauen, ältere Menschen, Zugewanderte und Zuwanderer, Jugendliche ohne Schulabschluss wie auch junge Erwachsene ohne Berufsabschluss.  Auch Menschen mit Behinderungen und Langzeitarbeitslose müssen im Lichte des demografischen Wandels und der Digitalisierung aktiv in die Arbeitswelt einbezogen werden.  Kösters fasste diesbezüglich drei entscheidende Kernbotschaften zusammen: „Wir brauchen jedes Kind, denn wir können es uns nicht mehr erlauben, auf ein Talent zu verzichten. Wir brauchen ein neues Bild vom Alter, von den Alten und vom Altern, denn ab 2020 liegt die strukturelle Mehrheit bei jeder Wahl bei den Menschen über 50 Jahre. Und wir brauchen die Potenziale der zugewanderten Menschen und der künftig Zuwandernden.  Es gilt die Chancen zu kommunizieren, nicht die Defizite.“ Um die Köster´schen Kernbotschaften realisieren zu können, bedürfe es in erster Linie eines Wandels in der gesellschaftlichen Wahrnehmung: Zu aller erst müsse von einer „War immer so, bleibt immer so“-Mentalität und einer „Wir haben auch so schon genug zu tun“-Denkweise Abstand genommen werden! Gesellschaft, Politik und Industrie müssten für eine neue Arbeitswelt 4.0 sensibilisiert werden. Das heißt: aktive Visionen für eine Zukunft gestalten und kommunizieren, das Bewusstsein für ein Wertefundament der Generationen und Kulturen steigern, aber insbesondere regionale Strategien, Akteursnetzwerke und Konzepte, sprich: Handlungsraum für aktive Kümmerer schaffen. Denn nur so könnten die Wirkungen und Chancen der Digitalisierung und des demografischen Wandels erfolgsorientiert gelöst werden, riet Dr. Kösters.

IHK: Kompaktkongress Arbeit 4.0 Foto: hbz/Stefan Sämmer 13.10.2015

Dr. Winfried Kösters, Thorsten Winternheimer, Günter Jertz, Rudolf Kast, Karl-Heinz Schulz (v.l.n.r.)

Arbeit 4.0 – Was kommt auf uns zu?
Auch im abschließenden Bistro-Talk waren sich die Diskutanten, Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der IHK für Rheinhessen, Rudolf Kast, Vorstandsvorsitzender von ddn, Dr. Winfried Kösters und Thorsten Winternheimer, Geschäftsführer der Druckerei K. Wolf GmbH einig: Arbeit und Industrie 4.0 bedeuten auch Herausforderungen 4.0! „Heute können wir Trends analysieren, um uns auf morgen vorzubereiten“ erklärt Rudolf Kast. Herausforderungen, die zu meistern sind, indem Unternehmen und ihre Mitarbeiter, aber auch Lehr- und Fachkräfte sich für die digitale Arbeitsweise sensibilisieren. Das heißt, Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere, müssen umdenken. „Digitale Arbeit bedeutet flexibles Arbeiten – und da kommt die Generation Y ins Spiel, denn diese Generation legt besonderen Wert auf eine Work-Life-Balance “ stellt Günter Jertz, in diesem Zusammenhang fest. Wenn auch in kleinen Schritten – müsse in diese Richtung umgedacht werden.

Autor: Gökan Tolga
Fotos: IHK für Rheinhessen / Stefan Sämmer

Broschüre Unternehmenswert Mensch
Vortrag „Arbeit 4.0 … Fachkräftemangel adè?“, Dr. Winfried Kösters
Vortrag „Trends.Themen.Dialogprozess. Arbeiten 4.0“, Kristian W. Tangermann

Partner des Kongresses