Nachbericht Forum 2: Metropolregion: Fläche für Alle!

Fläche für alle – löst das dann alle Probleme?

Zwei Metropolregionen, nämlich FrankfurtRheinMain und Rhein-Neckar, standen sich im Forum gegenüber und diskutierten miteinander die Frage: „Fläche für alle! Wie bekommen wir das hin?“ und „Gibt es überhaupt genug Fläche für alle?“.
Mit Hochdruck arbeiten die beiden boomenden Regionen daran, Wohnen, Leben und Arbeiten miteinander zu vereinbaren. Wären alle Probleme gelöst, wenn es mehr Fläche gebe? Mitnichten, wie das Forum Metropolregion zeigte. Denn paradoxerweise gibt es….

Ralph Schlusche

Ralph Schlusche

„….mehr als genug freie Flächen.“
Darin waren sich die Teilnehmer der Diskussionsrunde schnell einig. Denn Flächenüberhänge gibt es in beiden Metropolregionen. Dennoch stehen die Regionen vor denselben Herausforderungen: Zum Beispiel vor der stetig zunehmenden Wohnungsnachfrage, die vor allem der Vereinzelung der Haushalte geschuldet ist und die derweil nicht ausreichend befriedigt werden kann. Warum nicht? Woran liegt das, wenn das Bauland für mehr Wohnraum doch eigentlich vorhanden und die Nachfrage groß ist?
Die Antworten sind – wie meistens – vielfältig und komplex:

Einer der Hauptgründe ist natürlich, dass Menschen mehr wollen als nur bezahlbar wohnen: die Infrastruktur muss beispielsweise ausgebaut sein – allen voran die Anbindung an den ÖPNV. „Urbane Lebensqualität suchen auch fast alle“, so Christian Hey, Abteilungsleiter für Klimaschutz, nachhaltige Stadtentwicklung und Biodiversität im Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Auch Ralph Schlusche, Verbandsdirektor des Verbands Region Rhein-Neckar, konstatierte in seinem Impulsreferat, dass Regionalplanung kein Wunschkonzert sei. Es gebe zwar den Flächenüberhang in Rhein-Neckar – „aber auf diese Flächen wollten die Menschen nicht hin!“. Dort, wo die Menschen leben möchten – in den Ballungsgebieten, in den Großstädten – herrsche ein Flächendefizit, und die Flächen, die noch vorhanden sind, seien schlicht und einfach nicht mehr bezahlbar. „Die Zuzugsregionen FrankfurtRheinMain und Rhein-Neckar brauchen bezahlbare Flächen, die gut angebunden sind. Nur so könne die Metropolregionen weiterhin Entwicklungsmotoren sein“, so Ralph Schlusche weiter.

Am Beispiel der Rhein-Neckar Metropolregion zeigte Verbandsdirektor Schlusche, wie das Wohnflächenproblem angegangen werden soll: Es gibt in der Rhein-Neckar Region 700 ha ehemaliger US Flächen, die als Freiflächen geeignet sind. Davon gibt es in Mannheim 144 ha Konversionsfläche, die zu einem neuen Stadtteil ausgebaut werden soll. In Heidelberg soll dies mit 97 ha umgesetzt werden. „In Plänen kann man jedoch nicht wohnen. Regionalpläne müssen entwickelt werden“, so Schlusche.
Um dies zielführend umsetzen zu können, wurde im Verband folgende Lösung entwickelt: regionales Siedlungsflächenmanagement. Der Verband Region Rhein-Neckar stellt hierzu den Kommunen ein onlinebasiertes Flächenmanagementwerkezug zur Verfügung. Mit Hilfe dieses Tools werden Außenreserven, Innenpotenziale und Baulücken besser oder überhaupt erst erfasst.

Geplant ist, dass die beiden Metropolregionen Rhein-Neckar und FrankfurtRheinMain auch weiterhin im Austausch stehen wollen, um sich gegenseitig mit erfolgreichen Praxisbeispielen beim Meistern der bevorstehenden Herausforderungen zu unterstützen.

Die Herausforderung des einseitigen Wachstums – Kern vs. Umland

Welche konkreten Herausforderungen hinsichtlich Wachstum in Zukunft auf die Rhein-Main-Region zukommen, erläuterte sehr anschaulich Matthias Böss, Referent für Daten und Analysen in der Abteilung Metropolregion, Europa und Internationales beim Regionalverband FrankfurtRheinMain.

Demnach wuchs in der Metropolregion FrankfurtRheinMain die Einwohnerzahl zwischen 2011 und 2016 um knapp 260.000 auf nunmehr 5,7 Millionen Menschen.
Während dabei aber die Städte Frankfurt, Offenbach und Darmstadt hohe Zuwachsraten aufweisen konnten, gehen in manchen Kreisen an der Peripherie die Einwohnerzahlen zurück oder stagnieren. Während die Region insgesamt um knapp 5% gewachsen ist, erlebt Frankfurt schon seit sieben Jahren eine Nettozuwachsrate von 10%.

Matthias Böss

Matthias Böss

Die Beschäftigung hat in der Region zugenommen, erläuterte Böss, so dass die Fachkräfte für den Kern als auch für das Umland wie beispielsweise den Vogelsberg- oder Wetteraukreis bereitgestellt werden müssen. Das Problem sei hier, dass die Menschen zwar ins Umland zum Arbeiten führen, dort aber nicht wohnen wollten.

Das mit rund 362.000 Einpendlern wichtigste Pendlerziel der Region ist jedoch nach wie vor Frankfurt. Wobei die Pendlerbewegungen aber auch im Umland – häufig zwischen kreisfreien Städten mit attraktivem Arbeitsplatzangebot und ihren Nachbarkreisen – zunehmen. Zudem würden die zukünftige Herausforderungen die zunehmenden Verkehrsbewegungen im Kernraum sein. Die steigenden Mietpreise in der Metropolregion FrankfurtRheinMain sind dabei wohl das Brennpunktthema Nummer eins. Denn angesichts der Verteilung der monatlichen Nettoeinkommen der privaten Haushalte können viele sich die Preise für den Wohnraum nicht mehr leisten. Man könne in der Metropolregion zwar auch für 5-7 Euro pro Quadratmeter wohnen, müsse aber dafür weit raus ins Umland ziehen, was jedoch die wenigsten Menschen anstrebten. Laut Böss müssten 5000 ha Baufläche in der Metropolregion FrankfurtRheinMain bereitgestellt werden, um den Wohnungsbedarf zu decken. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln schätzt einen Bedarf von 330.000 Wohnungen bis 2030 für die Region. Andere Schätzungen des Bedarfs liegen noch höher: Allein für die Stadt Frankfurt schwanken die Zahlen zwischen 80.000 und 100.000 neuen Wohnungen, die bis 2030 benötigt werden. Zum Leidwesen der Wohnungssuchenden in der Region FrankfurtRheinMain besteht aber aktuell noch eine unzureichende Wohnungsbaufertigstellung. Um dem Problem Herr zu werden, müsste die zuletzt wieder anziehende Bautätigkeit nochmals intensiviert werden. Immerhin, so Böss, habe das Umland in der Metropolregion FrankfurtRheinMain wieder gelernt zu bauen: Im Jahr 2016 kamen in der Metropolregion rund 1.160 Hektar Siedlungs- und Verkehrsfläche hinzu. Im Zeitraum 2011 bis 2016 war der Zuwachs in Darmstadt, Wiesbaden und Frankfurt vergleichsweise gering, während die Stadt Aschaffenburg, der Kreis Miltenberg und der Kreis Groß-Gerau hohe Zuwächse verzeichneten.

Man kann keine Gemeinde zwingen, Fläche zu planen

Der anschließende, kontroverse Bistrotalk brachte Licht ins Dunkel des allseits diskutierten Wohnraummangels in der Frankfurt Metropole. Zum einen habe die Stadt Frankfurt monatlich tausend neue Einwohner zu verzeichnen; in den „Hot Spots knirscht es aufgrund der hohen Nachfrage“, so Dr. Christian Hey. Zum anderen sei es aber „ein Irrglaube, dass alle nach Frankfurt wollen“, so Jürgen Rogg, Bürgermeister der Kreisstadt Dietzenbach. Moderatorin Mechthild Harting von der Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte wieder die Gretchenfrage: „Gibt es überhaupt noch freie Flächen in der Metropole Frankfurt?“ „Eindeutig ja“, äußerte Dr. h.c. Thomas M. Reimann, Vorstandsvorsitzender der ALEA Hoch- und Industriebau AG. Und nicht nur in Frankfurt, sondern in der gesamten Region sehe er freie Flächen. Für ihn ist das Wachstum eine Chance für die Metropolregion FrankfurtRheinMain. Da müssen alle mitgenommen werden und freie Flächen im Umland gesucht werden. Durch Infrastruktur- und Verkehrsentwicklung sollten alle in der Region an dem Wachstum teilhaben. Moderatorin Harting hakte nach mit der Behauptung, dass doch eine Abstimmung mit den Füßen zugunsten Frankfurt als Wohnort stattfinde. Laut Reimann liege das nur daran, dass die Verkehrsinfrastruktur noch nicht genügend für das Umland erschlossen sei.

Eine gute Verkehrsanbindung als Allheilmittel? Wahrscheinlich ja. Nur gibt es noch andere Einflussfaktoren, wie Thomas Horn, Verbandsdirektor des Regional-verbandes FrankfurtRheinMain erklärte. Es gibt zwar ausreichend freie Flächen in der Region FrankfurtRheinMain, aber auch drei Haupthemmnisse, warum 60% der Fläche nicht genutzt wird. Erstens behindern die Eigentumsverhältnisse einen einfachen Verkauf, z.B. aufgrund von uneinigen Erbengemeinschaften. Zweitens muss dort, wo sich Familien ansiedeln sollen, die Kinderbetreuung sichergestellt werden. Kitas kann man aber nicht einfach so bauen, da man keine Erzieherinnen findet – Stichwort Fachkräftemangel.
Und drittens gibt es eine politische Konfliktlage, wonach es mit den heute bis zu fünfzehn Fraktionen immer schwieriger wird, Mehrheiten zu bilden. Das Grundproblem, so Horn, das hier gerne übersehen wird ist, dass man keine Gemeinde dazu zwingen kann, Fläche zu planen.

Eine Stimme – eine Lösung: ÖVNP für alle, bezahlbarer Wohnraum, Nachverdichtung.

Die Bedürfnisse der Menschen in der Region FrankfurtRheinMain sind eine Sache, aber die Realpolitik eine andere. Bürgermeister Rogg sieht das Hauptproblem darin, dass „wir beim ÖVNP geschlafen haben“. Auch für Thomas Horn ist das Flächenproblem nur über den ÖVNP lösbar. Die Crux sei hier, dass man sich zwar darüber beklage, dass sich in Punkto Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs nichts tue, aber Planungszeiten von 30-40 Jahren akzeptiert würden. Baupolitik muss man eben regional sehen, so Horn weiter.
Philipp Jacks, Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes Region Frankfurt-Rhein-Main kritisiert, dass zwar Wohnungen in Frankfurt gebaut werden, diese aber teuer vermietet werden oder niemand darin lebt. Der Mittelstand werde viel zu wenig unterstützt von der Politik. So ist zwar bei Neubauten vorgeschrieben, dass 30% der Fläche öffentlich geförderter Wohnraum sein soll. Davon gehen aber 15% an sozial schwache Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein und so bleiben nur 15% für die Mittelstandsförderung übrig. Zudem sollten die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften nicht in den Wettbewerb mit dem privaten Wohnungsbau treten, sondern zurückkehren zu ihrer originären Aufgabe und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Für Chritian Hey gibt es nur eine Strategie, mit der dem Flächenproblem in Frankfurt begegnet werden kann: „Wir müssen mit Fläche effizienter umgehen müssen. Nur die Dichte erlaubt uns das. Ebenerdige Parkplätze gehen da zum Beispiel gar nicht.“ Hey zieht die logische Konsequenz: „Die dichtesten Viertel sind die beliebtesten. Man muss urban bauen. Urbane Strukturen kann man auch im Umland bauen, zum Beispiel Smart City in Bad Vilbel.“ Das Land Hessen könne Kommunen fördern beim Bau von neuen, innovativen Wohnformen.

Thomas Horn

Thomas Horn

Wir müssen die Metropolregion denken

Nachverdichtung ist für Jacks nicht die Lösung, da es sonst zu eng werde in der Stadt. Stattdessen müssten die um Frankfurt liegenden Ackerflächen noch einmal diskutiert werden, damit kein sozialer Unfriede entstehe. Die Frage sei, wie man den Wohnungsbau regulieren könne, um dem Kapitalismus nicht nur freien Lauf zu lassen. Die Argumentation zugunsten der Breite unterstützte Thomas Horn vom Regionalverband FrankfurtRheinMain mit der Feststellung, dass der Wunsch der deutschen ein Reihenhaus sei. Anreize zum Flächenausbau müssen gesetzt werden, so Horn: Gemeinden, die einen Macher-Bürgermister hätten, müsse man finanziell unterstützen. Hier ging Bürgermeister Rogg d´accord. Denn die Frage sei doch, wie man politisch verantwortliche Menschen motiviert, die Region zu denken? Wenn der Gedanke der Region vorherrsche, könnten Pläne auch schneller umgesetzt werden.

Luxusprobleme

Im Angesichts des Szenarios, dass die Region FrankfurtRheinMain im Jahr 2030 aus allen Nähten platzen wird, wie Reimann unterstrich, fassten die Diskutanten zum Abschluss ihre Lösungsvorschläge nochmal zusammen. Der Unternehmer Reimann machte die Vorhut und ging es, nun unternehmerisch, an: „Wir sollten uns zusammensetzen, gemeinsam planen, ein klares Zeitfenster festlegen, einer setzt sich die Zuständigkeitsmütze auf und dann laufen wir los“. Bürgermeister Jürgen Rogg sieht den Regionalverband hier ganz klar als Initiator. Auch Philipp Jacks befürwortet einen Akteur wie den Regionalverband, der mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden sollte, um die Steine ins Rollen zu bringen. Laut Dr. Hey kann es nur einen alleinigen Zuständigen nicht geben. Es gibt sehr viele Akteure in diesem Zusammenspiel. Eine Lösung wird nur auf Basis des Konsenses möglich sein. Thomas Horn setzt nach wie vor auf das Anreizsystem und möchte, dass die Städte und Gemeinden, die tätig werden, belohnt werden. Ein Durchregieren gehe nicht, nur mit Netzwerken sei ein Ausweg möglich. Ralph Schlusche, Verbandsdirektor des Verbands Region Rhein-Neckar, relativierte zum Ende die Perspektive und nahm sie auf einen höheren Aussichtspunkt mit. „Stellen Sie sich vor, wir wären in Mecklenburg-Vorpommern oder im Osten Deutschlands, dann würden die Klagen vielmehr lauten: Wir schrumpfen.“
Dass auch die umgekehrte Situation eine riesige Herausforderung ist, darüber waren sich alle Teilnehmer des Forums einig. Aber auch darin, dass die Region FrankfurtRheinMain, so gesehen, vor „Luxusproblemen“ steht.