Nachbericht Forum 1: Arbeit 4.0

 

„Beruf und Familie – Digitalisierung in der Pflege: Innovation vs. Restriktion“

Vereinbarkeit von Beruf & Pflege – Zwischen Enttabuisierung, Sensibilisierung und Digitalisierung

An welchen Stellen kann eine zunehmende Digitalisierung Unternehmen, pflegende Mitarbeiter und zu Pflegende unterstützen und entlasten? Welche anderen Parameter müssen geändert werden, um das Thema Beruf & Pflege aus seinem bisherigen „Schattendasein“ herauszuführen? Hierum drehte sich die von Lea Wissel von der GFFB gGmbH moderierte Themeninsel des AK Beruf & Familie Digitalisierung in der Pflege: Innovation vs. Restriktion.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache – dies machte Petra Gaugisch vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart (IAO) gleich zu Anfang in ihrem Statement deutlich. In Deutschland werden 73 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause betreut, davon zwei Drittel durch Angehörige. Bereits jeder 17te Beschäftigte hat einen Pflegefall in der Familie. Viele pflegende Mitarbeiter müssen beruflich kürzer treten, um Beruf und Betreuung eines Angehörigen vereinbaren zu können. In Unternehmen zeigen sich die Folgen dieser Doppelbelastung oft in einem höheren Stresslevel und mehr Fehltagen von betroffenen Mitarbeitern.

Was kann und was muss getan werden, um pflegende Mitarbeiter bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe zu unterstützen? Prof. Barbara Klein – Professorin für Organisation und Management in der Sozialen Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences – stellte zahlreiche technische Möglichkeiten vor, wie die Autonomie und Selbstbestimmung pflegebedürftiger Menschen gestärkt und dabei gleichzeitig auch pflegende Angehörige unterstützt werden. Die Beispiele reichten vom Einsatz robotischer Dusch- und Waschsysteme bis hin zur Installation von Sensoren, die u.a. Stürze bemerken oder Raumtemperaturen messen können. Bisher würden diese Technologien allerdings im Gegensatz zu den USA oder Asien hierzulande kaum genutzt oder mit großer Skepsis betrachtet. Dies liege nicht zuletzt an einer fehlenden Vertrautheit und dadurch Akzeptanz mit den entsprechenden technischen Hilfsmitteln im Alltag.

Diana Heinrichs – Gründerin und Geschäftsführerin der Lindera GmbH – betonte, dass sich Angehörige trotz des komplexen Themas Pflege vor allem einfache und bezahlbare Lösungen wünschten. Kritisch sei, dass gerade im Pflegebereich viel Wissen verloren gehe oder den Angehörigen und Pflegediensten nicht zur Verfügung stünde. Um dies zu vermeiden, hat Lindera ein Fürsorge-Tool entwickelt, das u.a. Statusanalysen über den zu Pflegenden an Angehörige sendet und Handlungsempfehlungen für die Pflegesituation gibt.

Technische Lösungen sind oftmals noch teuer, die Akzeptanz dafür zu schaffen, ist nicht einfach. Eine für Unternehmen vergleichsweise besser umzusetzende Lösung stellte Dieter Mallwitz von der KfW-Bankengruppe vor. Seit 2016 fungiert er für den Standort in Bonn als Pflege-Guide. In dieser Position kann er seinen Kollegen schnell und unkompliziert mit Rat und Tat zur Seite stehen. Für pflegende Mitarbeiter sei es sehr wichtig, dass sie zeitnah die für ihren speziellen Fall relevanten Informationen erhielten und entsprechende Kontakte hergestellt würden.

Referenten und Teilnehmer waren sich einig: Gerade menschliche und emotionale Aspekte spielen beim Thema Pflege eine große Rolle. Dieses Bewusstsein ist bei der Entwicklung Assistiver Technologien und digitaler Möglichkeiten notwendig, damit diese in der Praxis genutzt werden. Am komplexen Thema mit zahlreichen Akteuren, Entscheidungsträgern und Verantwortlichen sollte interdisziplinär mit Blick auf die Bedürfnisse und Wünsche der Angehörigen und Pflegebedürftigen gearbeitet werden. In Unternehmen erleichtern es für das Thema Pflege sensibilisierte Führungskräfte, pflegende Mitarbeiter zu unterstützen, was wiederum beiden Seiten zu Gute kommt.

Marie-Claire Bonnes
Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern

Thesenpapier (PDF)

 

 

“Lernen 4.0 – wenn aus Noten Kompetenzen werden“

Lernen 4.0 – Kompetenzen statt Noten

Lebenslanges Lernen ist einer der Schlüsselbegriffe, wenn es um die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt geht. Arbeitnehmer müssen sich auf den Umgang mit stetiger Veränderung und immer wieder neuem Lernen einstellen, um mit dem Wandel Schritt zu halten. Arbeitgeber sind gefordert, ihre Belegschaft darauf vorzubereiten und passende Lösungen mit an die Hand zu geben. Am Thementisch „Lernen 4.0“ wurden wichtige Bausteine vorgestellt, die hierbei wertvoll sein können.

Prof. Simone Kauffeld, Inhaberin des Lehrstuhls für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie an der TU Braunschweig, verdeutlichte die Herausforderung am Beispiel des Handwerks: „Insbesondere das Handwerk ist starken strukturellen Veränderungsprozessen unterworfen, die neue Arbeits- und Kompetenzanforderungen an die Mitarbeiter zur Folge haben. Der rasante technologische Wandel macht nicht Halt und stellt Betriebe vor die Herausforderung, möglichst schon heute die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter für die Anforderungen von morgen zu entwickeln.“

Neben dem formellen Lernen, z. B. in Schulungen und Weiterbildungen, spiele gerade in Handwerksbetrieben das informelle Lernen eine wichtige Rolle. Dieses zeichne sich dadurch aus, dass das Lernen durch den Mitarbeiter selbst initiiert und gesteuert werde und im Prozess der Arbeit stattfinde. Beispielhaft berichtete Prof. Kauffeld von „Kompetenzentwicklungs-Tandems“ im Handwerk, bei denen ein unerfahrener Mitarbeiter die Verantwortung für eine Mikro-Baustelle erhalte und diese mit der Unterstützung eines erfahreneren Kollegen abwickle.

Aber wie können Betriebe den Prozess des informellen Lernens gestalten? Wie kann das informelle Lernen gezielt und systematisch zur Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter genutzt werden? Ein Werkzeug, das Unternehmen hierbei helfen kann, stellte Prof. Kauffeld auf dem Demografiekongress vor: Das Kompetenz-Navi, ein webbasiertes Diagnosewerkzeug, mit dem kleine und mittlere Unternehmen die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter schnell erfassen und übersichtlich darstellen können. Andreas Nuhn, H. Hildebrand Elektrotechnik, berichtete von dem Einsatz dieses Instrumentes in seinem Betrieb: „Es hilft uns dabei, frühzeitig zu erkennen, wo ein Bedarf zur Personalentwicklung vorhanden ist und wie wir die individuellen Fähigkeiten der Mitarbeiter fördern können.“ Ein derart strategisch umgesetztes Kompetenzmanagement sei auch ein wichtiger Baustein zur Mitarbeiterbindung, sagte Nuhn.

Dr. Christoph Kahlenberg, Randstad Deutschland GmbH & Co. KG, könnte sich ebenfalls vorstellen, das Kompetenz-Navi einzusetzen. Auch er betonte die Bedeutung des informellen Lernens und stellte mit „Lernen im Job“ ein dazu passendes Randstad-Projekt vor. Hierbei können sich Mitarbeiter die während ihrer Einsätze erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten in einem persönlichen Qualifizierungspass dokumentieren lassen und so ein vom TÜV Rheinland anerkanntes Zertifikat erwerben. Arbeitnehmer könnten so ihre Beschäftigungsfähigkeit erhöhen und sich für flexiblere Einsatzmöglichkeiten anbieten. Unternehmen könnten Transparenz über die Fähigkeiten der Mitarbeiter herstellen und diese flexibler einsetzen. „Diese Möglichkeit der berufsbegleitenden Qualifizierung kann ein wichtiger Baustein zur Mitarbeiterbindung und -motivation sein. Das Projekt passt perfekt zu den Anforderungen eines flexibler werdenden Arbeitsmarktes und stellt eine klassische Win-win-Situation für alle Beteiligten dar“, sagte Dr. Kahlenberg.

Autor: Christian Weßling

Zur Präsentation (PDF)

 

 

Betriebliches Gesundheitsmanagement – Gesund Führen im Format Design Thinking

Wie sieht der gesunde Arbeitsplatz der Zukunft aus?

Der Aufbruch in die neue Arbeitswelt bietet für Unternehmen und Beschäftigte enorme Chancen – allgegenwärtig sind aber auch die Herausforderungen, beispielsweise infolge von zunehmendem Zeitdruck oder technischem Anpassungsdruck sehr groß. Gefragt ist eine verantwortungsvolle Führung, die die Voraussetzungen für einen bewussten und achtsamen Umgang mit Digitalisierung durch die Mitarbeiter schafft. Am Thementisch Gesundheit näherten sich die Teilnehmer dieser Aufgabe mit einer zur Digitalisierung passenden Methode an, nämlich dem „Design Thinking“: in Teamarbeit, kreativ und multidisziplinär.

Die Aufgabenstellung lautete: Gestalte den gesunden Arbeitsplatz der Zukunft! Angeleitet wurden die Teilnehmer dabei von Prof. Michael Mielke, Leiter des Kompetenzzentrums Unternehmenssteuerung & Informationsmanagement der Deutschen Bahn AG, sowie seinem Team. Prof. Mielke forderte die Teilnehmer zu Beginn auf, die Augen zu schließen und fernab von äußeren Einflüssen Assoziationen in Bezug auf das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement zu entwickeln: „Welche Bilder, welche Erfahrungen und Emotionen verbinden Sie mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement?“ Auf diese Weise weckte Prof. Mielke die Kreativität der Teilnehmer und schickte sie auf eine gedankliche Reise.

Das A und O, so Prof. Mielke, sei die Sicht des „Kunden“: Bei der Fragestellung, wie ein Arbeitsplatz gesund gestaltet werden kann, sei also die Wahrnehmung der Mitarbeiter entscheidend. Um dies nachzuempfinden, nahmen die Teilnehmer genau diese Sichtweise ein und beantworteten verschiedene Fragen aus Sicht eines Interviewpartners: Welche Emotionen und Gefühle verbindet dein Gegenüber mit dem Thema Gesundheit am Arbeitsplatz? Was wünscht er sich für einen gesunden Arbeitsplatz?

Die direkte Auseinandersetzung mit dem Thema forderte die Teilnehmer enorm heraus, zugleich entwickelten sich aber auch in kürzester Zeit Ideen für das „Büro der Zukunft“, zum Beispiel eine „Power Napping-Liege“ oder integrierte Hängematten in einem Büro ohne Schränke. Klingt nach „Urlaub im Büro“, aber dass Freiräume für Mitarbeiter am Arbeitsplatz wichtig sind und regelmäßige kurze Arbeitsunterbrechungen für Erholung sorgen, darüber sind sich Mediziner und Arbeitspsychologen einig.

Welche Schlussfolgerungen können aus dem Design Thinking-Experiment auf dem Demografiekongress also gezogen werden? Die vielfältigen Anforderungen an Führungskräfte im Kontext eines modernen Betrieblichen Gesundheitsmanagements brachte Maria Klink, Geschäftsführerin des Berufsförderungswerkes Frankfurt am Main und Leiterin des Arbeitskreises Gesundheit, auf den Punkt: „Auf geht´s ins Murmeln – in drei Minuten wollen wir Ergebnisse!“ Dieser Slogan fasse die komplexen Anforderungen zusammen, die Führungskräfte bei der Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern berücksichtigen müssten: Einerseits die Erfordernis, den Fokus auf Unternehmensziele zu lenken, dabei aber auch Freiräume zu ermöglichen und den Mitarbeitern „Luft zu geben“.

Dass dies nicht die Quadratur des Kreises bedeuten muss, machten die vielfältigen und kreativen Ideen am Thementisch Gesundheit deutlich.

Autor: Christian Weßling, IHK Frankfurt am Main

 

Präsentation „Alles soll plötzlich agil und 4.0 sein!“ von Prof. Dr. Gunter Dueck
Präsentation „Lernen 4.0 – wenn aus Noten Kompetenzen werden“
Präsentation Forum 2 „Metropolregion“

Nachbericht 7. Demografiekongress
Nachbericht Forum 1: Arbeit 4.0
Nachbericht Forum 2: Metropolregion
Nachbericht Forum 3: Willkommenskultur
Nachbericht Forum 4: Barcamp

Bildergalerie 2017