Nachbericht zu Arbeit-Alter-Innovation

Welche Folgen hat die Digitalisierung der Arbeitswelt für die verschiedenen Generationen? Kommen da noch alle mit? Wer wird abgehängt? Wer kommt mit? Sind Digital Natives für die Arbeitswelt 4.0 besser als die Generation 50plus gerüstet, nur weil sie mit Smartphone, Apps und Internet aufgewaschen sind? Sind ältere Mitarbeiter wirklich mit der digitalen Transformation überfordert? Und wenn ja, wie können wir sie für den Veränderungsprozess stärken? Diese Fragen beleuchtete die Veranstaltung „Arbeit-Alter-Innovation“ in der Handwerkskammer Wiesbaden am 6. Februar.

AAI 2018 WiesbadenAAI 2018 Wiesbaden Bistrotalk

Links (v.l.): Sonja Lambert, Axel Wintermeyer, Karl-Heinz Schulz, Detlef Lamm, Martina Schmeink, Christian Stamov Roßnagel, Klaus Repp und Dr. Martin Pott; Rechts (v.l.): Karl-Heinz Schulz, Gabriele Berg, Martina Schmeink, Rowena Oho und Sonja Lambert im Talk (Bildquelle: Handwerkskammer Wiesbaden)

„Die Doppelbelastung digitale Transformation und älter werdende Belegschaft lässt sich nur mit digitaler Fitness – und vor allem in jedem Alter – meistern“, erklärte Gastgeber Klaus Repp, Präsident der Handwerkskammer Wiesbaden in seiner Eröffnungsrede. Nüchtern konstatierte er: „Ohne lebenslanges Lernen gibt es kein Handwerk.“ Denn längst läuft die Digitalisierung der Handwerksbranche in Deutschland auf Hochtouren. Er betonte, „dass Handwerk 4.0 aktuell Topthema und Herausforderung zugleich ist“. Die drei Handwerkskammern planten deshalb mit Hilfe des Landes Digitalisierungsberater anzustellen, und die Mitgliedsorganisationen zielgenau zu unterstützen und digital fit zu machen.

Auch für Axel Wintermeyer, Hessischer Staatsminister, besteht in punkto lebenslanges Lernen enormer Handlungsbedarf. Denn „Wirtschaft und Verwaltung stehen angesichts des digitalen und demografischen Wandels vor besonderen Herausforderungen“, so Wintermeyer in seinem Grußwort. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen in einer sich wandelnden Arbeitswelt besser ausgebildet und weitergebildet werden“, fuhr er fort. Und stellte im selben Atemzug die entscheidende Frage „Wie gelingt es uns, dass die Menschen auch lebenslang lernen wollen?“ Laut dem Chef der hessischen Staatskanzlei sei dies nur mit Diversität und einem neuen Blick auf die Altersbilder zu schaffen. „Um den Fachkräftemangel und die digitale Spaltung zwischen Alt und Jung, zwischen Stadt und ländlichem Raum zu verhindern, ist eine kluge Verbindung von Digitalisierung und Demographie nötig“, erklärte Wintermeyer. In der strukturellen Arbeitsmarktveränderung lägen auch Chancen für eine älter werdende Gesellschaft. Vorausgesetzt „die Bedürfnisse der über 60-Jährigen und der Jungen werden in der Arbeitswelt in Einklang gebracht“, so der Demografiebeauftragte der Landesregierung weiter. Sein Wunsch sei insgesamt eine Gesellschaft, die mehr Lust auf das Neue habe.

Wie wegweisend dieser Wunsch für den erfolgreichen Wandlungsprozess ist, zeigte die Keynote von Christian Stamov Roßnagel, Professor für Organisationspsychologie an der Jacobs University Bremen. „Die Offenheit innerhalb der Teams ist die größte Baustelle in den Unternehmen“, so Stamov Roßnagel. Klischeehaftes Denken der Generationen übereinander und Altersstereotype hemmten den Unternehmensfortschritt. „Unter den Generationen besteht eine verzerrte Fremd- und Selbsteinschätzung bezüglich der Lernfähigkeit und digitalen Fitness“, erläuterte der Wissenschaftler. Jüngere Beschäftigte trauten ihren älteren Kollegen in diesen Punkten wenig zu und umgekehrt hielten die älteren Mitarbeiter den Nachwuchs für digital kompetenter. Dabei gibt es den Vorsprung von Digital Natives gegenüber Best Agern gar nicht. „Untersuchungen ergeben, dass sich 27 Prozent der unter 30-Jährigen mit der Geschwindigkeit der digitalen Transformation überfordert fühlen, aber nur 24 Prozent der über 50-Jährigen“, erklärte Stamov Roßnagel. Auch beim Technik-Know-how, sehen die Jungen eher „alt“ aus. „Bei den unter 30-Jährigen geben 24 Prozent an, sich mit neuen Technologien nicht auszukennen, gegenüber 18 Prozent der über 50-Jährigen“, fuhr er fort. Für ihn ist digitale Fitness keine Frage des Alters. Vielmehr müsse lebenslanges Lernen selbstverständlich werden. „Lernangebote werden aber von den Beschäftigten altersübergreifend als Hürden wahrgenommen und die üblichen Weiterbildungstools funktionieren nicht“, so der Wissenschaftler weiter. Um eine alternde Belegschaft innovativ zu halten, werde deshalb eine passgenaue Personalentwicklung immer wichtiger werden. Entscheidend sei es das „Selbstmanagement der Beschäftigten anzustoßen und ein ständiges Lernfitnesstraining durchzuführen.“ Altersgemischte Teams funktionierten nur mit einer gemeinsamen Sichtweise. Die „selbsterfüllende Prophezeiung“ sei der Schlüssel zum Teamerfolg. Mehr über die Werkzeuge zur Gestaltung des demografischen Wandels finden Sie hier:

Keynote Christian Stamov Roßnagel

Martina Schmeink, Geschäftsführerin von ddn und Sonja Lambert, Leiterin der Stabsstelle Diversity Management, AOK, stellten die ddn-Umfrage zu Altersbildern und digitaler Arbeitswelt und die AOK-Studie zu Altersstereotypen vor. Beide Untersuchungen kamen zu ähnlichen Ergebnisse wie Stamov Roßnagel: ältere Kollegen hielten sich für den digitalen Wandel weniger gut gerüstet. In der Gesellschaft herrschten Vorurteile gegenüber der Generation 40plus zu ihrer Innovationsfähigkeit und digitalen Tauglichkeit. „Im demografischen Wandel werden alle Generationen im Unternehmen gebraucht“, sagte Schmeink. Damit sie gut zusammenarbeiten könnten, müssten die falschen Altersstereotype durch realistische Generationenbilder ersetzt werden. Sonja Lambert erläuterte dazu welche überraschenden Ergebnisse die AOK-Studie, insbesondere zu Vorurteilen von Führungskräften gegenüber der Leistungsfähigkeit von älteren Mitarbeitern, hervorgebracht hätten. Die detaillierten Ergebnisse der beiden Studien finden Sie hier:

Statement aus der ddn Umfrage zu Altersbildern

AOK-Studie Ergebnisse zu Altersbildern

Im anschließenden Bistrotalk diskutierten Eva Schubert von der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), Detlef Lamm, Vorstandsvorsitzender der AOK Hessen und Dr. Martin Pott, stv. Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Wiesbaden, engagiert über die Veränderungen der Arbeitswelt im Lichte des demografischen und digitalen Wandels sowie die möglichen Lösungsansätze. Für Detlef Lamm steht fest, dass die größte Herausforderung der demografische Wandel ist. „Schon jetzt haben wir einen Fachkräftemangel, und alterungsbedingt frei werdenden Stellen können wir nicht alle ersetzen“, ergänzte er. Die AOK setze daher auf Generationenmanagement. Eva Schubert rückte das Bild des demografischen Wandels etwas zurecht und erklärte: „Der demografische Wandel ist kein neues Phänomen und schon lange da. Er wird nur jetzt wegen der Digitalisierung virulent.“ Schubert betonte, dass Prozesse zu neuen Arbeitsweisen in den Unternehmen angestoßen werden müssten. Ein wichtiger Schritt dahin sei das „Weißbuch Arbeiten 4.0“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, zu dem INQA Fachbeiträge und Expertise aus der betrieblichen Praxis beigesteuert hatte. Dr. Martin Pott wies darauf hin, dass Handwerk es von jeher verstanden habe, Wissen weiterzugeben und geradezu der Inbegriff eines gelingenden Zusammenwirkens von Alt und Jung sei. Darauf könne es sich auch  bei der digitalen Transformation stützen. Dabei sei klar, dass es ohne lebenslanges Lernen künftig kein erfolgreiches Handwerk mehr geben könne. Damit griff er letztlich den roten Faden der Veranstaltung auf, nämlich: dass die Umwälzungsprozesse am Arbeitsmarkt nur durch ein kontinuierliches Lerntraining aller gemeistert werden können.

„Arbeit- Alter-Innovation“ ist eine Partnerveranstaltung der Handwerkskammer Wiesbaden, der hessischen Staatskanzlei, der AOK Hessen, des Demographie Netzwerkes ddn, der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) und des Demographienetzwerkes FrankfurtRheinMain.